Ausstellung "Wild“ mit Tiefgang im Kunstzeughaus

Erfolg Ursula Grossfeld vom Kunstverein Oberer Zürichsee bedankt sich bei G. Baumgartner für die gelungene Führung. Foto: zVg Peter Marvey am Internationalen Zirkusfestival Monte-Carlo. Foto: zVg

Bereits seit 31 Jahren realisiert die IG Halle Rapperswil erfolgreich Ausstellungen in Rapperswil. Die Ausstellung "Wild“ hat das Wilde in Natur und Mensch zum Thema.

Die von Co-Präsident Guido Baumgartner kuratierte Ausstellung „Wild“ der IG Halle lockt mit bekannten Namen wie Andy Warhol und Georges Wenger. Bewusst werden diesen weniger bekannte und auch ganz junge Kunstschaffende wie Noah di Bettschen gegenübergestellt, was sowohl inhaltlich als auch technisch einen grossen Spannungsbogen erzeugt. Das Wilde in der Natur oder im Menschen wird genauso thematisiert wie die Arbeitsweise der Künstlerinnen und Künstler. Die Ausstellung „Wild“ ist die zweite aus der Trilogie „weit – wild – frei“. Es werden sieben Positionen mit unterschiedlichsten Arbeitstechniken von Fotografie über Malerei und Installation bis zum Linoldruck gezeigt. Während der Führung mit dem Kunstverein Oberer Zürichsee wusste Kurator Guido Baumgartner viele interessante Geschichten und Details aus dem Leben der ausstellenden Kunstschaffenden, über deren Charakter, Arbeitsweise und Wirken zu erzählen und schien sie alle gut zu kennen.

Ein breites Spektrum an Arbeiten

Fotograf Robert Bösch aus Oberägeri, bekannt für seine Natur- und Landschaftsfotografie, bereiste viele Länder der Welt, unter anderem auch das Langtang Valley im Himalaya-Gebiet. Eine der Aufnahmen sticht besonders ins Auge, nämlich die vom Nuptse. Das Bergmassiv erscheint fast plastisch und gestochen scharf, was auch mit dem tiefen Sauerstoffgehalt in dieser Höhe zu tun hat, so Baumgartner. In neueren Werken arbeitet Bösch unter anderem mit Verfremdungen in der Fotografie. Georges Wenger, ursprünglich Typograf, ist laut Baumgartner ein Meister der Druckkunst. Seine unglaublich dichten, facettenreichen Linoldrucke, in Schwarz auf Japanpapier gedruckt, zeugen von seinem grossen Können. Die Bilder mit kleinsten Details von Farnen, Moos und Wurzeln wurden in monatelanger Arbeit erschaffen und wirken aus der Ferne betrachtet wie Fotografien. Prägend waren für Wenger seine ausgedehnten Reisen und die Zusammenarbeit mit Meistern seines Fachs. Er zog mit seinem VW-Bus durch die Welt, arbeitete als Fotomodell in Japan und lernte in den USA Künstler wie Robert Rauschenberg und Sam Francis kennen. Ingrid Käser bezeichnet Baumgartner als wilden, ungezähmten Charakter, sie mache einfach ihr Ding. Meist seien ihre Bilder auf Papier unregelmässig zugeschnitten und ungerahmt präsentiert. In der Ausstellung der IG Halle werden die Zeichnungen ergänzt von einem gehäkelten Gebilde aus schwarzem Garn. Das „Gehäkel“ repräsentiert ihre Arbeitsweise: Sie ist am Vernetzen interessiert, unter anderem in ihren sozialen Kunstprojekten und schafft mit und in ihren Arbeiten neue Verbindungen. Tiere, Fabelwesen, Göttinnen und Übersinnliches verweben sich in ihren Werken in einem transformativen Prozess. Eine weitere Arbeit von ihr ist ein Totenkopf mit einer Krone, die mit verloren gegangenen und von ihr gefundenen Schmuckstücken behängt ist. Das Wilde zeigt sich darin als die unkontrollierbare Macht des Todes.

Noah di Bettschen ist der Jüngste unter den sieben Kunstschaffenden und erst zwanzig Jahre alt. Mit 16 ging er von zuhause weg und schlug sich in Zürich durch. Sein drogenabhängiger Vater starb, als er fünf war. Eine Lehre schloss Noah nie ab. Aber Malen und Schreiben, das liege ihm, so Baumgartner. Er führe ein wildes Leben und arbeite fast rund um die Uhr. Seine eigenwilligen Bilder sind Ausdruck seiner Lebensgeschichte und Gedanken, die ihn verfolgen. Oft erscheint ein Selbstporträt, in Acryl auf Leinwand gemalt, umrahmt von Zeichnungen und endlos strömenden Texten. SRF1 strahlte schon zwei Beiträge im Kulturplatz über ihn aus. Zurzeit arbeitet er an einer Produktion in Los Angeles, wo er Randständige interviewt und malt und aus deren Leben berichtet. Die zwei Installationen des Luzerner Künstlerpaars GislerGähwiler haben Naturphänomene zum Thema – raffiniert dargestellt. Die eine beschäftigt sich mit Fragen wie der Verlangsamung des Jetstream und dessen Auswirkung auf Klima und Pflanzen. Bei der anderen, zentral platzierten Arbeit handelt es sich um eine komplexe Installation aus Fresnellinse, Spiegel, Edelgasröhre und Lavagestein. Die flüchtigen Gase, die als Urmaterie sowohl in der Atmosphäre als auch in Lavagestein aus dem Erdinnern zu finden sind, werden sichtbar gemacht und erzeugen in der Röhre dynamische farbige Lichtphänomene.

Sandro Livio Straube, 30-jährig, zieht bald ins Val Lumnezia, das ihn zu einer umfangreichen fotografischen Arbeit inspirierte. In der 2015 begonnen Serie zeigt er von Menschenhand geschaffene Orte und Dinge, die dem Zerfall und sich selbst überlassen sind. Es ist zu sehen, wie die Natur die Spuren der Menschen verblassen lässt und die Orte zurückerobert. Höhepunkt der Ausstellung ist die Serie von zehn Siebdrucken von Andy Warhol. Die „Electric Chairs“ greifen in schönen, leuchtenden Farben das Thema Todesstrafe auf. Warhol, der laut Baumgartner aktuell einen Höhepunkt in der Kunstwelt erlebt, wurde von seinem Mentor Henry Geldzahler in den frühen 60er-Jahren ermutigt, auch einmal etwas Ernsthafteres zu produzieren. Daraus entstand die Serie „Death and Disaster“. Der elektrische Stuhl zeigt den Tod als kontrollierte, scheinbar zivilisierte Form des Tötens und beleuchtet gleichzeitig die strafende Gesellschaft und das Recht zum Töten kontrovers. In den USA wollte man diese Serie zuerst nicht zeigen. Die Galerie Ileana Sonnabend in Paris war die erste Galerie, die es gewagt hat, die „Death and Disaster“ Serie zu zeigen. Mit Erfolg. (ON)

Eine sehenswerte, tiefschürfende Ausstellung, die existenzielle Fragen aufwirft. Die Ausstellung der IG Halle dauert noch bis 5. Februar. Weitere Informationen: www.ighalle.ch

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