Die Leidenschaft für das perfekte Brett

Marcel Brunner in seiner Werkstatt: «Ich bin immer am Tüfteln. Die Feinabstimmungen machen den Unterschied.» (Foto: M. Wassner)

Seit über drei Jahrzehnten hat sich Marcel Brunner dem Snowboard verschrieben. Seine Firma Oxess stattet aber nicht nur Leistungssportler aus. Auch für Freizeitsportler lohnt sich der Griff zum massgeschneiderten Brett.

«Von Rezession keine Spur: Drei junge Oberländer bringen nach zweijähriger Entwicklungszeit ihre eigenen Snowboards auf den Markt.» Das schrieb der «Zürcher Oberländer.» Es war 1994, Marcel Brunner 24 Jahre alt. Seitdem sind knapp 30 Jahre vergangen. Februar 2023, Freitag Nachmittag, die Werkstatt ruht, der Chef ist noch da. Heute werden bekannte Athleten dem Firmennamen gerecht: Besessen von ihrem Sport und erfolgreich, wie zum Beispiel Ladina Jenny, die kürzlich ihren ersten solo Weltcupsieg errang. Sie fährt schon lange mit Boards von Oxess, eine besondere Verbindung. «Ich kenne ihren ersten Trainer Hans Steiner aus Gommiswald gut. Er hat mich bei der Entwicklung meiner Snowboards unterstützt, hat ein sehr gutes Gespür», erzählt Brunner. Der Jahresbeginn verlief sehr gut für die Fahrer seiner Boards. «Solche Erfolge sind für uns die beste Werbung. So kommt man ins Gespräch.» Zu den Schweizer Fahrern gehören auch Jessica Keiser und Gian Casanova. Und die Snowboard-WM kommt erst noch. Sie findet in Bakuriani, Georgien statt, vom 19. bis 22. Februar. «Wir statten auch Fahrer aus vielen anderen Ländern aus.»

Der Krise trotzen
Weil Oxess ein besonderes Angebot hat, gibt es wenig Konkurrenz. «Wir haben einen Mitbewerber in der Schweiz und zwei kleine Firmen in Österreich.» Der so genannte Unique Selling Point (USP), das Alleinstellungsmerkmal, von Oxess: «Die grossen Firmen können nicht so auf Kunden eingehen. Und wir waren die ersten im Bereich Snowboardcross.» Die bekannten Hersteller produzieren kaum Boards für Alpine Snowboard und Snowboardcross, beides Speed-Disziplinen. «Dafür sind sie heute zu wenig flexibel», sagt Brunner. Apropos flexibel: Wie reagiert Oxess auf die weltpolitische Lage, Lieferengpässe usw.? Interessanterweise stellt der Bubiker Unternehmer keinen Einbruch des russischen und ukrainischen Marktes fest. «Die Profis fahren trotz des Krieges.» Wobei es Diskussionen gebe. Eine Oxess-Fahrerin ist die Ukrainerin Annamari Dancha, Disziplin Alpine Snowboard. «Sie sagte mir, obwohl die Situation schrecklich sei, fahre sie. So möchte sie ihr Land promoten. Und ausserdem: Sport verbindet.» Die Rohstoff-Knappheit war bei Oxess nur Anfangs ein Thema. «Ich musste Kurzarbeit anmelden wegen der fehlenden Materialien für die Produktion. Heute kommt wieder alles, nur teurer und mit längeren Lieferzeiten.» Auf sein fertiges Brett warte der Kunde aktuell drei bis vier Wochen. Dann wäre da noch die Schneearmut in dieser Saison. Kein Problem für Oxess. «In höheren Lagen liegt genügend Schnee und die Profis fahren trotzdem ihre Rennen.»

Das richtige Material
Das Oxess-Brett gibt’s aber nicht nur für Profis. «Jeder, der ein besseres und individualisiertes Snowboard will, bekommt es bei uns.» Den Unterschied merke man sofort. Kostenpunkt: rund 1600 Franken. Und der Fachmann weiss: Auch für den ambitionierten Freizeitfahrer zahlt es sich aus, mit gutem Gerät auf die Piste zu gehen. Übrigens: Die Länge der Bretter orientiert sich nicht an der Körpergrösse. «Sie hängt von der Technik und der Disziplin ab.» Stillstand gibt es bei Brunner nie. Er arbeitet laufend an der Weiterentwicklung seiner Boards. «Ich bin immer am Tüfteln. Feinheiten, Nose und Tail Shapes, Länge, Radius. Es sind die Feinabstimmungen, die den Unterschied machen.» Leider fehle ihm aber heute die Zeit, um noch viel selbst in der Werkstatt zu stehen. Dennoch ist Oxess für ihn Hobby und Beruf zugleich. Teilweise heisst das sechs Tage die Woche zwölf Stunden. Ihn stört das nicht. Sein erstes Board baute er Ende der 1980er-Jahre. Viel Selbststudium, Experimente, gescheiterte Versuche. Dann die ersten Erfolge.

Freiheit in China
Schon damals der USP: Die Snowboards werden für den Kunden nach Mass gefertigt. Natürlich schlitterte das junge Team seinerzeit genau in die Hype-Phase des Sports in den 1990ern. Und heute? «Skifahren ist der grössere Markt. Aber es steigen wieder mehr Kinder auf das Snowboard.» Der Trend fand in den 2000ern vor allem wegen der Entwicklung der Carving-Ski sein Ende. Allerdings sagt Brunner: «In Asien merken wir aktuell einen starken Aufschwung, vor allem in China. Es begann vor den Olympischen Spielen, 2022.» Es sei wohl eine Rückbesinnung auf den «Rebellensport», der das Snowboard Anfangs auch im Westen war. «Viele Menschen in China sind so aufs Gehorchen getrimmt, dass das Snowboard besonders cool und rebellisch wirken muss.» Bald beginnen bei Oxess die Arbeiten für die Saison 2023/24. Ein wichtiger Anlass steht am Samstag auf dem Programm: Moon & Carve in Adelboden, Skigebiet Elsigen-Metsch. «Da werden wir mit einem Stand vertreten sein.» Und wer jetzt auf den Geschmack respektive das Brett gekommen ist: Werkstattbesuche und Testfahrten sind für Interessierte möglich. Einfach vorher anrufen.

Michel Wassner

Weitere Infos finden Sie unter www.oxess.ch

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