Der 501. Schüblig-Ziischtig steht vor der Tür

Michael Laib ist mit Leib und Seele dabei.

Im Oberland ist der «Schüblig-Ziischtig» gelebtes Brauchtum. In der Bubiker Metzgerei Minnig steigt die Wurst-Nachfrage seit Jahren. Und die Konsumenten leben die uralte Tradition wieder bewusster.

Es sei eine einzigartige Zeit, sagt Michael Laib, Leiter Marketing und Verkauf der Bubiker Metzgerei Minnig, zur stetig wachsenden Nachfrage der Schüblige im Zürcher Oberland. Noch vor 20 Jahren wurden nur rund 1600 Würste verkauft, letztes Jahr waren es fast 23 000 in 15 verschiedensten Geschmacksrichtungen. Der Verkaufshit ist der «Bassersdorfer Schüblig». Der Klassiker ist gefüllt mit Rind-, Schweine- und Speckfleisch. Besonderes Merkmal: Die schwarze Haut. Im Angebot ist auch ein Schüblig ganz ohne Schweinefleisch, dafür mit Kalbfleisch.

Die Minnigs metzgeten ursprünglich in Wald. Karl sen. und Doris Minnig-Kindlimann gründeten das Geschäft an der Metzggasse 1961. Vor gut 20 Jahren wurde der eigene Verkaufsladen geschlossen und Karl Minnig jun. spezialisierte sich auf die Belieferung von Detailhändlern in der Region. Nach dem Umzug nach Bubikon und dem Ausbau der Fleischverarbeitung erschloss sich mit dem Internet auch ein neuer Verkaufskanal. So können Endkunden ihre Bestellung bis 12 Uhr aufgeben und am nächsten Tag im gewählten Detailhandels-Laden abholen. Der Versand läuft auch schweizweit per Post. Insgesamt 440 Produkte hat die Metzgerei Minnig im Angebot. Eine Flotte von 13 Fahrzeugen liefert die bestellten Waren an Detailhändler in der gesamten Deutschschweiz. «Täglich frisch – isch ehresach» gilt nicht nur für den Schüblig, sondern das ganze Jahr durch. Wer also bis heute Donnerstag 17 Uhr bestellt, kann ab Samstag seine Würste noch rechtzeitig beim Detailhändler abholen. Und passend zum Schüblig liefern die Bubiker Metzger einen hausgemachten Kartoffelsalat. 300 kg Salat wurde letztes Jahr ausgeliefert.

Laib: «Wir beobachten eine Zunahme der Verkäufe von Schübligen besonders auch im Kanton St. Gallen, wo der Schüblig-Dunschtig immer mehr an Bedeutung gewinnt. Wir bieten bereits auf diesen Zeitpunkt sieben verschiedene Würste an, für den Schüblig-­Ziischtig sind es 15 Sorten.» Laib schmunzelnd: «Es ist Geschmacks­sache, ob ein Schüblig mit oder ohne Senf genossen wird, in St. Gallen traditionellerweise eher ohne, im Kanton Zürich eher mit Senf.»

Herkunft des Schübligs
Laut dem Idiotikon war der Cellerarius (Wirtschaftsverwalter eines Klosters) des Stifts Grossmünster 1293 zur Abgabe von zwei Würsten an den Canonicus (Chorherr) verpflichtet, die Würste nannte man damals «inschubelinge». Eine Quelle aus dem 16. Jahrhundert beschreibt den Schüblig als Wurst vom Schwein. Gut möglich, dass der Schüblig ursprünglich eine Wurst war, die nach dem Schlachten aus Schweinefleisch und Speck hergestellt worden war. Doch bereits im 19. Jahrhundert mehren sich die Quellen, welche den Schüblig so zusammensetzen, wie wir ihn heute kennen: Aus Schweine- und Rindfleisch sowie Speck. (Quelle: Kulinarisches Erbe der Schweiz).

Thomas Hulliger

Oberländer Tradition
Der Schüblig-Ziischtig gehört mit der Läuteordnung der reformierten Kirche zu den ältesten vor-reformatorischen Bräuchen des Zürcher Oberlandes. In der katholischen Kirche bedeutet die Fastenzeit Busszeit zur Vorbereitung auf das Osterfest. Sie begann am Aschermittwoch und dauerte ungefähr vierzig Tage bis Ostersamstag. Während dieser Zeit galt das Abstinenzgebot, das heisst Verzicht auf Fleischspeisen (lat. carne vale!, dt. Lebewohl Fleisch!). In der Reformationszeit wandte man sich vorerst gegen kirchliche Regeln, die besonders lästig waren. Das galt zum Beispiel für das Fastengebot. Aufsehen erregte der Zürcher Buchdrucker Christoph Froschauer, der offensichtlich als Provokation und im Beisein von Reformator Huldrych Zwingli (der sich freilich noch enthielt) in der Fastenzeit des Jahres 1522 mit Gesellen und Gesinde warme Würste ass, wobei er sich darauf berief, er habe auf die Ostermesse ein Werk nach Frankfurt liefern müssen und sei deshalb mit seinen Angestellten so beansprucht gewesen, dass sie nicht vom «Muus» allein hätten leben können. Der Rat übte vorsichtige Zurückhaltung.
Um für die Fastenzeit gewappnet zu sein, pflegte die Bevölkerung am letztmöglichen Tag, am Dienstag vor Aschermittwoch, sich noch einmal so recht an Würstchen gütlich zu tun. In der Innerschweiz ist dieses Datum der «schmutzige Donschtig», wobei Schmutz Fett bedeutet. Mit der Reformation wurde die Fastenzeit abgeschafft. Die Bevölkerung des Zürcher Oberlandes, die sich schon immer durch besondere Lebhaftigkeit ausgezeichnet hat, begrüsste diese Massnahme natürlich, sah aber keinen Grund, den jetzt an sich sinnlos gewordenen Schüblig-Ziischtig ebenfalls abzuschaffen. Am Schüblig-­Ziischtig pflegten alle Metzger des Oberlandes eine reiche Palette von Schübligen anzubieten, Spezialwürste, die während des übrigen Jahres nicht erhältlich sind. Der Schüblig-Ziischtig ist jedoch auf das Oberland begrenzt. Falls man sich als Walder und Oberländer fühlt, kommen an diesem Tage bloss Würscht und Herdöpfelsalat in Frage!
(Historiker Peter Surbeck)

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