Ständeratskandidatin Barbara Gysi, SP

«Nach elf Jahren im Nationalrat bin ich sehr gut vernetzt.». (Foto: zVg)

Am 12. März sind Ständerats-Ersatzwahlen im Kanton St. Gallen. Nationalrätin Barbara Gysi von der SP ist eine der vier Kandidatinnen.

ON: Klar ist: Wer die Nachfolge von Paul Rechsteiner antreten will, muss auch über die Grenzen der eigenen Partei hinweg mobilisieren können. Wie interpretieren Sie die Rolle der Ständerätin zwischen Partei- und Sachpolitik?
Barbara Gysi: Als Ständerätin geht es darum, mit verschiedenen Partnern und Partnerinnen, die für den Kanton und die Ostschweiz prioritären Themen zu orten, Strategien zur Durchsetzung zu entwickeln und mit dem zweiten St. Galler Ständerat im Parlament einzubringen und Mehrheiten zu schaffen. Das insbesondere bei Infrastrukturfragen, Bildungs- und ­Innovationsthemen und Standortförderung. In sozialpolitischen Fragen geht es mir stärker darum, die Anliegen der Menschen, die ich vertrete, durchzubringen.

Sowohl Sie als auch Ihre drei Mitbewerberinnen sitzen aktuell im Nationalrat. Was bewegt Sie zum Wechsel der Kammer?
Ich bin nach elf Jahren im Nationalrat in Bern sehr gut vernetzt und gut auf­gestellt. Im Ständerat ist es oftmals einfacher, lösungsorientierter an die Sache zu gehen. So wie ich das auch während zwölf Jahren als Stadträtin in Wil breit über die Parteigrenzen hinweg erfolgreich getan habe. Meine langjährige Erfahrung und gute Vernetzung auf allen Ebenen motiviert, diese noch gezielter einsetzen zu können.

Wie auch immer die Wahl ausgeht: Die nächste St. Galler Ständerätin wird eine Frau sein. Damit sind die Frauen nach wie vor in der Minderheit. Welche Bedeutung messen Sie der Geschlechterverteilung im Ständerat bei?
Eine angemessene Vertretung der Frauen in allen Gremien ist wichtig und eine stärkere Frauenvertretung darum auch. Gerade die Themen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Lohngleichheit und ein fortschrittliches Sexualstrafrecht haben es im Ständerat um einiges schwerer. Hier will ich mich ebenfalls einsetzen.

Kurz und knapp: Die aus Ihrer Sicht aktuell wichtigsten drei politischen Themen im Kanton St. Gallen?
Sichere Gesundheitsversorgung in ­allen Regionen, gute Infrastruktur, insbesondere Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie eine bessere Existenzsicherung dank mehr Prämienverbilligung, bezahlbaren Mieten und einem sozial­gerechten Umbau der Energieversorgung.

Frau Gysi, wie wichtig ist es, dass die SP den Ständeratssitz im doch bürgerlichen Kanton SG halten kann?
Für die Menschen, die nur von einem kleineren oder mittleren Lohn leben und auch bessere Renten brauchen, ist es von grosser Bedeutung, dass im Ständerat weiterhin eine soziale Stimme, die auch den ökologischen Umbau sozialgerecht umsetzen und finanzieren will, vertreten ist.

Für die SP dürfte es nicht leicht werden, den Sitz zu verteidigen. ­Haben Sie überhaupt einen Anspruch auf den Sitz bei der eigentlich bürgerlichen Mehrheit?
Ständeratswahlen sind Persönlichkeitswahlen und ich verfüge über eine breite Erfahrung und Vernetzung im ganzen Kanton. Der Kanton St. Gallen ist vielfältig und diese Breite soll auch in der Ständeratsvertretung abgebildet werden.

Sie sagten im Vorfeld der Wahl, Sie möchten «das erfolgreiche St. Galler Ständeratsmodell weiterführen». Worin sehen Sie diesen Erfolg begründet?
In den letzten elf Jahren wurden dank breiter Abstützung Mehrheiten erreicht. Der Ausbau im öffentlichen Verkehr mit der Doppelspur im Rheintal, der schnellen Verbindung nach ­Zürich sowie Bundesgelder im Kulturbereich und in der Innovationsförderung sind wichtige Erfolge. Das reicht nicht. Wir müssen das Erreichte sichern und weitere Verbesserungen ­erzielen, namentlich im Regionalverkehr, auch im Linthgebiet, und der Regional­politik.

Als Grenzkanton spürt der Kanton St. Gallen den Lohndruck massiv. Sandrine Nicolic-Fuss vom St. Galler Gewerkschaftsbund sprach von Ihnen als «beherzte Kämpferin für bessere Lebensbedingungen und Lohngleichheit». Was könnten Sie in diesem Bereich als Stände­rätin bewirken?
Wir sind auf stabile Wirtschaftsbeziehungen angewiesen und auch der Bildungs- und Kulturaustausch ist wichtig. Der Lohnschutz hat eine grosse Bedeutung, das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort ist zwingend. Gute Löhne und angemessene Renten, namentlich für Frauen, müssen im Parlament immer wieder verteidigt werden, und da hat der Ständerat eine Schlüsselrolle. Bessere Prämienverbilligung wurde eben im Ständerat gebremst. Die Aushebelung des Arbeitsgesetzes und die Schwächung von Mindestlöhnen initiiert. Da braucht es eine starke sozialpolitische Stimme und die will ich vertreten.

Michel Wassner

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