Keine Scherben in Reichenburg

Keine Spur von traditionellen Glasbläsern - in den Produktionshallen ist alles Hightech. (Foto: M. Wassner)

In der Glasmanufaktur Buttikon AG in Reichenburg kommt man in Berührung mit einem faszinierenden Material. Ein Besuch, bei dem es auch um Lehrberufe und die Zukunft geht.

Das Auffälligste an Glas ist das Unauffällige: Es ist überall. Ein Besuch in der Glasmanufaktur Buttikon AG, ein Gespräch mit Geschäftsführer Marcel Müller und Betriebsleiter Michel Mlaker, diplomierter Glasbauexperte, ein Rundgang. Der Betrieb sitzt in Reichenburg. In Buttikon wurde der Platz zu knapp. Die dritte und vierte Generation zügelte an den Autobahnzubringer in Reichenburg. Marcel Müller sagt: «Wir haben hier einen sehr guten Standort. Vor über 50 Jahren florierte die Gegend noch nicht. Dann kam der Aufschwung, und Glas wurde auch im Bau viel mehr genutzt.» Der Betrieb wurde 1936 von Fritz Lerch und Alfons Rothacher gegründet und wird heute in der dritten, beziehungsweise vierten Generation geführt. Ein Familienbetrieb. Das Erfolgsrezept? Müller relativiert. «Relevant war und ist eher die Tatsache, dass wir viele langjährige Mitarbeiter haben. Wir zeichnen uns durch Bodenständigkeit aus und haben in all den Jahren immer wieder investiert.» Momentan beschäftigt das Unternehmen 43 Mitarbeiter in den Bereichen Büro, Beratung, Verkauf, Verarbeitung und Auslieferung.

Stärke ist Geschwindigkeit
Kunstglaser sind nicht darunter. Die Manufaktur ist spezialisiert auf Bauglas. Das war schon immer so. In der Produktionshalle wird also kein Glas geblasen. «Man muss aber auch auf Montage gehen. Wichtig ist es, das Material genau zu kennen, aber auch Holz, Metall und andere Baustoffe», sagt Müller. In der Produktionshalle werden über 140 Glastypen gelagert, mit Vakuumanlagen transportiert und mit modernsten Maschinen geschnitten, gebohrt, gefräst, geklebt, geschliffen oder gehärtet und demnächst auch laminiert. Besonders gefragt sind Einzelersatz, Klein- und Massarbeiten, zum Beispiel Spiegel, Duschen, Glasanlagen. «Grossaufträge sind für uns kaum möglich. Da können wir preislich nicht mithalten», so Mlaker.

Die grossen Stärken der Glasmanufaktur liege generell darin, dass man etwa Schäden schnell beheben könne. «Ist ein Fenster kaputt, machen wir eine Not- und dann schnell eine Isolierverglasung. Da können wir preislich mit den Fensterbauern gut mithalten», so Müller. In puncto Konkurrenz spiele natürlich auch Qualität eine Rolle. «Wir punkten vor allem bei der Verarbeitung und der Dienstleistung.» Und beide betonen: «Unsere grosse Stärke ist die Geschwindigkeit. Bestellen Sie zum Beispiel eine Dusche bei einem grossen Betrieb, warten sie fünf bis sechs Wochen. Wir brauchen ein bis zwei Wochen bis hin zur Montage. Im Notfall geht das sogar noch schneller.»

Ganz andere Produkte
«Glas ist der einzige Baustoff, durch den man schauen kann», sagt Michel Mlaker. «Wichtig ist aber gerade hier der Respekt vor dem Material.» Die Verletzungsgefahr ist hoch. Das meiste Glas, das in der Schweiz und so auch in Reichenburg verarbeitet wird, stammt übrigens aus Deutschland und Frankreich. Zur Anwendung kommt es überall. Müller: «Wo man auch hinsieht, da ist Glas. Gerade in den letzten Jahren wurde es auch als Baustoff immer beliebter. Denn es steht für Helligkeit, und damit verbinden die Menschen immer etwas Positives.» Duschen, Treppen, Geländer, Interieur, Büroverglasungen. «Heute sprechen wir von ganz anderen Produkten als vor 30 Jahren.»

Beruf mit Zukunft
Die Glasmanufaktur Buttikon ist auch Lehrbetrieb. Ausgebildet werden aktuell sieben Glaser. Zwar ist die Lehre wenig bekannt, doch Mlaker sagt: «Sie eröffnet viele Möglichkeiten. Dennoch haben wir Mühe, Lehrlinge zu finden. Viele wissen gar nicht, dass es das überhaupt gibt. Beim Verband versucht man deshalb, den Beruf bekannter zu machen. Aber es geht harzig.» Pro Jahr starten etwa 20 Lehrlinge schweizweit, davon schliessen zehn die Ausbildung auch ab. Der Grund für die Abbrüche? Häufig hätten sich die Lehrlinge etwas anderes vorgestellt, sagt Mlaker. Aber er betont auch: «Die Leute wollen nicht unbedingt Glaser werden. In das Material verliebt man sich erst hier.» Ist also die Zukunft des Berufsstandes gefährdet? «Wir haben aktuell Glück, denn die meisten unserer Lehrabsolventen bleiben bei uns. Mit Blick auf die Nachfrage ist es auf jeden Fall eine Ausbildung mit guten Zukunftsperspektiven», so Müller. Und denkt man an Zukunft, denkt man auch an Nachhaltigkeit. Deshalb hat die Glasmanufaktur Buttikon seit 2022 eine Solaranlage auf dem Dach. Gerade in Zeiten mit hohen Strompreisen macht sich das bezahlt. Müller bestätigt: «Das war ein absoluter Glücksfall. Als wir uns zum Bau entschieden, war von Stromkrise noch keine Rede. Nun können wir den Preisanstieg fast ausgleichen. Haben wir eine Überproduktion, speisen wir den Strom wieder zurück ins Netz.» Zur Einordnung macht er einen Vergleich: «Unser Hauptstrom-Verbraucher ist der Härteofen.» Im Verhältnis: Der Härteofen verbraucht im Durchschnitt 190 kWh, eine normale Waschmaschine rund 0,8 kWh.

Abgesehen davon habe Glas eine Nullschädigung, es sei ein Naturprodukt, erklärt Mlaker und sagt zum Stichwort Minergie: «Da ist Glas im entsprechenden Aufbau sehr gut geeignet. Man kann damit den Wärmefluss beziehungsweise den Gesamtenergiedurchlass steuern.» Und mit diesen Worten endet auch der Rundgang. Zerbrochen ist nichts. Zum Glück.

Michel Wassner

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