Ständeratskandidatin Franziska Ryser: «Eine angemessene Vertretung der Geschlechter hilft, Lösungen zu finden»

«Ich würde mich für einen guten Zusammenhalt innerhalb der Ostschweizer Delegationen einsetzen.» Foto: zVg

Bei den Ständeratsersatzwahlen im Kanton St. Gallen am 12. März tritt Franziska Ryser für die Grünen an. Dass sie die jüngste Kandidatin ist, sieht sie als Vorteil.

ON: Klar ist: Wer die Nachfolge von Paul Rechsteiner antreten will, muss auch über die Grenzen der eigenen Partei hinweg mobilisieren kön-nen. Wie interpretieren Sie die Rolle der Ständerätin zwischen Partei- und Sachpolitik?
Ryser: Als Ständerätin vertritt man in der Tat mehr als die eigene Parteibasis. Ich sähe meine Rolle darin, die Interessen des Kantons St. Gallen in Bundesbern zu vertreten. Zudem würde ich mich für einen guten Zusammenhalt innerhalb der Ostschweizer Delegationen einsetzen, sodass wir uns bei wichtigen ­Geschäften unterstützen und eine wirkungsvolle Vertretung in beiden Räten erreichen.

Sowohl Sie als auch Ihre drei Mitbewerberinnen sitzen aktuell im Nationalrat. Was bewegt Sie zum Wechsel der Kammer?
Im Ständerat besteht ein grosser Gestaltungsspielraum. Mit überzeugenden Argumenten und einer guten, überparteilichen Zusammenarbeit kann man rasch etwas bewirken, wie die Solaroffensive letzten September beispielhaft gezeigt hat. Das ist auch meine Art zu politisieren: mit einem konstruktiven Miteinander und der Bereitschaft für Kompromisse.

Wie auch immer die Wahl ausgeht: Die nächste St. Galler Ständerätin wird eine Frau sein. Damit sind Frauen aber nach wie vor in der Minderheit in der Kammer. Welche Bedeutung messen Sie der Geschlechterverteilung bei?
Wir haben zwar eine rechtliche Gleichstellung, aber in der Realität gibt es noch Handlungsbedarf: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie etwa, die Altersvorsorge oder das Sexualstrafrecht. In diesen Themen haben Frauen eine andere Betroffenheit. Eine angemessene Vertretung der Geschlechter hilft, Lösungen zu finden, die unserer diversen Gesellschaft gerecht werden.

Die aus Ihrer Sicht aktuell wichtigsten drei politischen Themen im Kanton St. Gallen?
Erstens: die Klimaerwärmung. Wir müssen die Haushalte, sowie die Unternehmen beim Umbau auf eine Netto-Null-Gesellschaft unterstützen, beispielsweise mit ausreichend erneuerbarem Solarstrom. Zweitens: ein stabiles Verhältnis zur EU sowie die Möglichkeit, die bilateralen Verträge zu aktualisieren und neue Verträge zu schliessen. Drittens: eine Verbesserung des ÖV-Angebotes im Kanton und insbesondere des grenzüberschreitenden Verkehrs.

In einer Mitteilung der St. Galler Grünen war zu lesen: «Die Politik der kommenden Jahre entscheidet darüber, ob wir die Schweiz auf Klimakurs bringen und die Chancen der grünen Transformation ergreifen». Welchen Beitrag zu dem Thema könnten Sie in der Funktion als Ständerätin konkret leisten?
Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss in den nächsten Jahren noch einfacher und schneller gehen. Mit effizienteren Geräten und einem bewussteren Konsum können wir zudem die Energieverschwendung reduzieren und einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Dafür würde ich mich als Ständerätin einsetzen – mit den richtigen Förderinstrumenten sowie administrativen Vereinfachungen, beispielsweise im Bewilligungsverfahren. Für unsere KMUs bieten sich aber auch Chancen: Im Clean-Tech-Bereich werden neue Märkte entstehen. In diesem Bereich muss sich die Schweiz gut positionieren, um attraktive Arbeitsplätze mit Perspektive für die kommenden Jahrzehnte zu schaffen.

«Für unsere KMUs bieten sich Chancen.»

Bei Ihrer Nominierung begründete Parteipräsident Daniel Bosshard den Antrag des Kantonalvorstands, Sie ins Rennen um die Nachfolge von Paul Rechsteiner zu schicken, mit den Worten: «Franziska kann den kommenden Generationen im Ständerat eine Stimme geben». Tönt nach einer grossen Verantwortung, die Sie wie wahrnehmen würden?
Ich habe den Anspruch, mit meiner Politik nachhaltige Lösungen zu finden, die auch der nächsten und übernächsten Generation noch genügend Ressourcen für ein gutes Leben übrig lassen. Das muss ich als Vertreterin der jüngeren Generation auch. Denn was wir heute in der Politik entscheiden, von dem werde ich in dreissig Jahren selber noch betroffen sein.

Sie sind mit Anfang 30 die jüngste der vier Ständeratskandidatinnen. Hat das Vor- oder Nachteile für Ihre Wahl?
Ich sehe es als Vorteil, denn es ist wichtig, dass auch die Perspektive der jüngeren Generation in die Politik einfliesst: nicht nur in der Klimapolitik, sondern beispielsweise auch in Fragen der Digitalisierung. Ausserdem bin ich zwar die jüngste der Kandidatinnen, aber mit über zehn Jahren Parlamentserfahrung bringe ich am zweitmeisten Erfahrung aller Kandidatinnen mit. Ich kenne das parlamentarische Handwerk, um die Anliegen des Kantons St. Gallen einzubringen.

Warum braucht der Kanton St. Gallen eine grüne Ständerätin?
Weil die Themen, die uns aktuell beschäftigen – Klimakrise, Energie­versorgung, die Beziehungen zur EU – Themen sind, in denen wir grüne Lösungen haben. Der Kanton St. Gallen ist in den letzten Jahren gut gefahren mit einer geteilten Standesstimme. Ich werde diese Tradition fortsetzen und mit Expertise in den ökologischen Themen ergänzen.

Michel Wassner

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