Am Donnerstag, 9. März fand im Kreuzstift in Schänis eine Gedenkfeier zum 200. Todestag Hans Konrad Eschers statt. Während seiner Arbeit an der Linthkorrektion wohnte er einige Jahre an diesem Ort.
Der Glarner Regierungsrat Kaspar Becker durfte neben allen Gemeindepräsidenten des Linthgebietes auch zehn Nachfahren des Geehrten begrüssen. Escher wurde 56 Jahre alt. Davon befasste er sich knapp drei Jahrzehnte mit dem Linthgebiet – wissenschaftlich, politisch und praktisch. Von 1807 bis 1823 leitete er den Bau der Kanäle, dank derer die Hochwassergefahr in der Walensee- und Linthregion gebannt werden konnte. Seine Pioniertat war die Linthkorrektion. Sie brachte ihm 1823 posthum den Ehrentitel «von der Linth» ein, verliehen vom Kanton Zürich.
Trotz vieler Widerstände hatte er mit der Korrektion fast Unmögliches vollbracht. Sein kräfteraubende Engagement sollte ihn letztlich krank machen und zu seinem Tod führen. Und das obwohl er dank seiner Herkunft ein bequemes Leben hätte führen können. Er entschied sich für den Weg als Wohltäter, kämpfte für die Anliegen des Volkes. Er legte den Grundstein für eine vor Hochwasser geschützte und prosperierende Linthebene.
Politische Gräben überbrückt
Eschers Werk war nicht nur für das Leben in der Region, sondern auch für das Selbstverständnis des frühen schweizerischen Bundesstaates grundlegend. In der von ihm angestossenen und geleiteten «Linthunternehmung» sah man nach dem Sonderbundskrieg 1847/48 eine Möglichkeit, die tiefen politischen Gräben im Land zu überbrücken. Das Projekt wirkte somit als integrierender Gründungsmythos der modernen Schweiz.
Ein Höhepunkt beim Anlass am 9. März waren die Lesungen von Schauspieler Helmut Vogel. Er trug den Nachruf, der kurz nach Eschers Tod auf der Frontseite der NZZ veröffentlicht wurde, vor, sowie ein Grabgedicht, das kurze Zeit später folgte. Der Verfasser des Nachrufs war übrigens Paul Usteri, ein guter Freund Eschers. Das Gedicht schrieb Johannes Hanhart. Für die musikalische Umrahmung des Anlasses sorgte Elizabeth Kalmar, Musiklehrerin aus Schänis, mit ihrem Cello. Auf die völlig anderen Rahmenbedingungen jener Zeit gingen gleich zwei Redner ein: Linthingenieur Markus Jud tat dies aus heutiger wasserbaulicher Sicht und erwähnte im Speziellen die schwierigen Arbeitsbedingungen zu Eschers Zeit: «Er war viel allein, häufig im damaligen Damenstift in Schänis. Es gab kein Telefon, kein Internet, nur Briefe. Für ein Gespräch musste er reisen. Die Umleitung der Glarner Linth in den Walensee, sowie die neue Linienführung und Kanalisierung der Linth zwischen dem Walen- und dem Zürichsee war ein enormer Eingriff in die Landschaft. Der schnurgerade Kanal zwischen Benken und Tuggen ist schweizweit bekannt.»
Herausforderung Hochwasser
Als zweites sprach der Präsident der Linthkommission, der Glarner Regierungsrat Kaspar Becker, über die damaligen Rahmenbedingungen: Überschwemmungen, Sümpfe und Krankheiten bedrohten die Lebensgrundlagen der Bevölkerung. Vor dem Hintergrund von Krieg, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Armut war die Korrektion der Linth eine gewaltige Herausforderung. Das Vorhaben war technisch, politisch und wirtschaftlich äusserst komplex. Heute sind die Anforderungen an den Hochwasserschutz noch gestiegen und werden es weiter tun. Markus Jud betont: «Wir können die Linth nicht sich selber überlassen. Der Fluss ist nach der Korrektion ein Werk geworden: das Linthwerk.» Dieses brauchte Überwachung und Unterhalt, eine laufend aktualisierte Notfallorganisation und Bewilligungen bei Projekten von Dritten. Escher hat dies schon 1822 vorausgesehen und in einer «Instruction für die Eidgenössische Wasserbau-Polizey» – die heutige Linthkommission – darauf aufmerksam gemacht.
Was Escher nicht voraussehen konnte, war der Paradigmenwechsel von der Kanalisierung der Gewässer zur Philosophie, dass die Flüsse mehr Raum benötigen, um ihre Funktion zu erfüllen. Mit dem Projekt «Hochwasserschutz Linth 2000», der ersten Gesamtsanierung des Linthwerks, wurden die Aspekte Hochwasserschutz und Ökologie als gleichwertig betrachtet. (ON)
Regierungsrat würdigt Escher
Nachstehend ein Auszug aus der Würdigung durch Regierungsrat Kaspar Becker, der den Historiker Daniel Speich zitierte: «Die Ufer des Walensees waren ein elender Ort. Es herrschte eine Wassernot, die kein Ende zu nehmen schien. Überschwemmungen, Sümpfe und Krankheiten bedrohten die Lebensgrundlage der Bevölkerung. Die Landwirtschaft geriet in grosse Not, es konnten nur noch Riedpflanzen und Streue angepflanzt werden. Zu den Überschwemmungen und Versumpfungen kam mit dem zweiten Koalitionskrieg auch eine gewaltige Belastung durch kaiserliche und französische Truppen. Sehr hart traf es das ständig überschwemmte Weesen, wo im September 1799 nicht weniger als 80 000 österreichische Soldaten zu verpflegen waren. Schliesslich brachten die Kriege die Handelstätigkeiten der Glarner Kaufleute praktisch zum Erliegen. Die Baumwollindustrie, von der viele Heimarbeiter im Glarnerland lebten, brach zusammen. Erwerbslosigkeit und Hunger folgten darauf. Viele Beobachter dachten, die Untätigkeit und Passivität der Bevölkerung sei der Hauptgrund für die Überschwemmungen. Die Menschen wurden als matte, kraftlose Personen beschrieben. Und tatsächlich kam es im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts vermehrt zu Erkrankungen wie Malaria. Die Zeitgenossen nannten die Fieberschübe ‘Gfrörer’. Die grosse Not der Bevölkerung kam vor die Tagsatzung, das heisst vor die Konferenz der alten Orte der Eidgenossenschaft, die bis 1798 gemeinsam das Land regierten. Doch die Delegierten der Kantone konnten sich nicht auf Hilfsmassnahmen einigen. Gemäss dem damaligen Staatsverständnis hielten sich die Räte der Länder Glarus, Schwyz und Zürich nicht dafür zuständig, grosse Infrastrukturbauten wie eine Seeabsenkung oder eine Flusskorrektion durchzuführen.» Vor dem Hintergrund von Krieg, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Armut war die Korrektion der Linth eine gewaltige Herausforderung. Die Rahmenbedingungen waren extrem schwierig, das Vorhaben technisch, politisch und wirtschaftlich äusserst komplex. Es brauchte Mut, Durchhaltevermögen, Fleiss und Weitsicht. All das hat die Person Hans Konrad Escher von der Linth in sich vereint.