Keine Bange, dieser 76-jährige Rentner ist kein Raufbold. Aber Toni Hegner ist beim SCRJ der Mann, der mit Abstand am meisten auf der Strafbank sitzt – oder steht. Seit 31 Jahren. Und am Anfang wurde der stille Helfer nur mit Wurst und Brot entlöhnt.
Seit der Saison 1992/93 ist der Mann aus Lachen, der vor seiner Pensionierung während Jahren in einer geschützten Werkstatt Behinderte betreut hat, bei jedem Heimspiel des SCRJ im Einsatz. Seine offizielle Bezeichnung seit 16 Jahren: Leiter des Technischen Dienstes.
Am Rand des Eisfeldes stand Toni Hegner zuerst wegen seines Sohnes Mike: Der spielte vor 31 Jahren bei den Piccolos des SCRJ. Hegner: «Sie fragten mich an, ob ich helfen könne. Wir füllten damals von Hand die Matchblätter aus. Goals, Strafen, alles wurde von Hand eingetragen.» Der Lohn für die Fronarbeit damals: Wurst und Brot. Und ein Getränk pro Match. Dazu am Saisonende ein Abschluss-Nachtessen. Irgendwann haben sich Hegner und seine Mainzelmännchen gewehrt. Jetzt gibt es schon vor der Saison ein Nachtessen, pro Helfer einen kleinen Betrag pro Spiel. Und zum Schluss der Saison ein Nachtessen mit den Partnerinnen. Richtig gelesen: Hegners Helfer sind alle männlich. Alter: Zwischen 20 und 60 Jahren.
Was machen Hegners 15 Helfer? Da ist zum Beispiel der Eisläufer. Er verschiebt die Tore. Bohrt die Löcher für die Tore nach. Oder reinigt mit einem Schaber das mit Blutflecken verunreinigte Eis. Der Eismeister, ihn stellt die Stadt Rapperswil-Jona, und er ist nicht Hegner unterstellt, glättet mit einer Eisbearbeitungsmaschine der Marke Zamboni das Spielfeld. Vor dem Match und in beiden Drittelpausen.
Fliegende Fische
Dani Thoma holt vor dem Spiel bei beiden Coaches die Aufstellungen ab und tippt sie dann Name für Name ins Programm «Reporter». Die ausgedruckten Formulare müssen von beiden Trainern unterschrieben werden. Und: Die Game-Pucks werden rechtzeitig in einer Kühlbox auf die richtige Betriebstemperatur gebracht. Höchste Konzentration ist beim Zeitnehmer gefordert. Er muss die Uhr anhalten, wenn der Schiedsrichter pfeift. Den Pfiff hört er wegen den Fangesängen meistens nicht. Hegner: «Er muss immer auf den Ref schauen.» Zu Unterbrüchen kann es auch wegen den Fans kommen. Hegner: «Früher flogen Fische und Handys aufs Eis. Auch Münzen, die frieren auf dem Eis an.» Heute werden die Fans per Video überwacht. Hegner: «Wer Bier runterwirft, den nehmen wir raus.»
Machtlos waren Hegner und seine Helfer für einmal Mitte September 2021. Beim Spiel gegen die ZSC Lions ging an der Hallendecke beim Stande von 1:2 ein Reflektor kaputt. Heisse Teile des Lampenschutzglases flogen aufs Eis. Glassplitter lagen überall herum. Zuerst wurde das Eis wie schon in der Drittelpause noch einmal vollständig gereinigt. Doch da man nicht wusste, ob noch weitere Teile runter fliegen würden, musste das Spiel abgebrochen werden. Offizieller Grund: Höhere Gewalt.
In der ersten Pause wird in der Mitte des Eisfeldes die Fahne eines Sponsor-Unternehmens aufgezogen. Fans können versuchen, die Fahne per Hand mit einem weichen Puck zu treffen. Die drei, die am treffsichersten sind, erhalten einen Gutschein von «Marché». Die auf dem Eis liegenden Pucks müssen von Hegners Helfern wieder eingesammelt werden. Hegner: «Anfänglich benutzten wir für diesen Publikumswettbewerb harte Pucks – aber einer ist mal liegengeblieben und beschädigte dann die Eismaschine.»
Das leibliche Wohl der Schiris
Zwei Mainzelmännchen betreuen die Strafbank. Die beiden Strafbänke sind links und rechts des Punkterichterhauses angebracht. Im Punkterichter-«Hüüsli» sitzt unter anderen auch der TV-Aufnahmeleiter. Er hat Blick auf die Hintertor-Kameras und ist ständig in Verbindung mit dem Übertragungswagen ausserhalb des Stadions. Bei strittigen Goalszenen kommen beide Schiedsrichter zum Punkterichterhaus. Wenn einer der Trainer eine Coaches Challenge wegen möglichem Offside nimmt, schauen die beiden Linienrichter vorbei. Fürs leibliche Wohl der Schiris sind ebenfalls der Chef des Technischen Dienstes und seine vielen Helfer zuständig. Trinken, Essen, fast jeder Wunsch wird erfüllt.
Den Überblick behält Hegner meist von der Strafbank aus. Von dort hat er jeweils auch mitbekommen, wie Servettes damaliger Trainer Chris McSorley die Beugung der Stockschaufeln einiger Rappi-Spieler nachmessen lassen wollte. Keine einfache Übung – im Regelwerk steht dazu: «Die Krümmung des Stockblattes ist so zu begrenzen, dass der Abstand einer Senkrechten, gemessen von einer Geraden, die von einem beliebigen Punkt an der Ferse bis zum Ende des Blattes gezogen wird, zum Punkt der stärksten Krümmung nicht mehr als 1,9 cm beträgt.»
Damit ja keiner der Spieler trickst, gibt es ein offizielles IIHF-Stockmessgerät. Dass auch dieses in der Arena am richtigen Platz ist – auch dafür sorgt Toni Hegner.
Max Kern