Schirm, Charme und Visionen

Andrea Strotz mag Sonne wie Regen, nur: «Zu jedem Outfit gehört der passende Schirm». (Foto: Michel Wassner)

Die Strotz-Schirmfabrik in Uznach ist einmalig. Erfolgreich schützt das Unternehmen seit Jahrzehnten gegen den Regen. Ausserdem ist man Mitinhaber der Firma Knirps.

Möchte man über Schirme sprechen, trifft man Andrea Strotz in Uznach. Die Sonne scheint, es wird viel gelacht. Die 39-Jährige ist Geschäftsführerin der Strotz Schirmfabrik und damit der einzigen Regenschirm-Manufaktur in der Schweiz mit eigener Produktion. Schirme jeden Tag bei jedem Wetter? «Genau. Wir stellen ausnahmslos Schirme her. Dazu zählen aber auch Garten- und Sonnenschirme. Also ein Teil der Produktion hat Freude, wenn die Sonne scheint.» Die klassischen Regenmonate im Frühling und Herbst: Sie waren einmal. «Heute regnet es entweder richtig, einige Tage hintereinander oder gar nicht, eine Trockenperiode», sagt Strotz. Die Sache mit dem Wetter sieht sie pragmatisch: «Am besten während der Woche Regen und am Wochenende Sonne.»

1000 Mal Auf und Zu
Ihr Ururgrossvater fuhr mit der Kutsche durchs Land, stellte Schirme her, flickte sie. Bis heute ist der Strotz-Schirm einer, den man reparieren lassen kann. «Bei unseren Swissmade-Modellen zahlt sich das auf jeden Fall aus.» Dieser Service sei auch wichtig aus Gründen der Nachhaltigkeit, sagt Strotz. «Es kann immer mal ein Stängeli brechen oder Leute bringen ein Erbstück vorbei.» Was Sturmfestigkeit betrifft, sind die Uzner Produkte besser als der allgemeine Ruf des Schirms. Alle Knirpse sind im Windkanal getestet, einige Modelle halten bis zu 150 km/h stand. Natürlich dürfe ein Schirm nicht beim ersten Windstoss kehren, sagt die Fachfrau. «Aber wenn ein richtiger Sturm kommt, passiert das schon mal.» Ein Knopfdruck – Problem gelöst. «Man muss einen qualitativ guten Schirm 300 Mal kehren und 1000 mal öffnen und schliessen können.» Ist nun der Schirmverkauf tatsächlich abhängig vom Wetter? Ja. «Wenn es regnet, haben wir mehr Arbeit und Bestellungen.» Neben dem Wetter folgen Schirme auch den Trends. «Meine Vision war immer, dass ein Schirm ein modisches Accessoire ist. Zu jedem Outfit gehört der passende Schirm», sagt Strotz. Aber das ist noch ein weiter Weg. Denn: Aktuell sind 60 bis 70 Prozent aller Schirme in der Schweiz schwarz. Das Gegenmittel: eine Fashion-Kollektion pro Jahr. «Was derzeit auch gefragt ist, sind Ausführungen mit UV- und Hitzeschutz. Die kann man zugleich als Sonnenschirme verwenden.» Wie viele Schirme der Mensch im Leben kauft, ist übrigens nicht bekannt. «Aber es wäre noch interessant zu wissen», sagt die Fachfrau und lacht. Ihre Familie betreibt das Unternehmen seit fünf Generationen. 1851 eröffnete Andreas Ururgrossvater Arnold eine Werkstatt in Uznach. 1954 entstand das heutige Fabrikationsgebäude im Herrenacker.

Qualität schlägt Regen
Aktuell besteht das Team aus 17 Leuten. Wird es eine sechste Generation geben? «Hoffentlich, ich habe zwei Töchter. Sie malen schon kräftig Regenschirme.» Heute ist der Betrieb die einzige Schweizer Regenschirmfabrik mit eigener Produktion. Früher gab es etwa 30 schweizweit. Sie scheiterten. «Wir sind die einzigen, die sich behaupten konnten, sicherlich wegen des Markennamens Knirps, wir sind ein Familienbetrieb, da denkt man vielleicht ein bisschen langfristiger. Und natürlich Qualität und Dienstleistung.» Wobei auch das Traditionsunternehmen die Produktion Anfangs der 1990er nach Fernost verlagerte. Eine pragmatische Entscheidung. «Etwa 98 Prozent unserer Schirme werden in China produziert. Alles andere würde sich gar nicht rechnen. Wir haben zudem Swissmade-Modelle. Die produzieren wir.» Aber die Geschäftsführerin achtet auch bei den Importprodukten auf Qualität. Dafür reist sie selbst in die Fabrik im Land des Lächelns. «Ich sage vor Ort, wie der Schirm aussehen muss und kontrolliere das regelmässig.» Ein Rundgang durch die Werkstatt. Stoffe, Gestelle, Nähmaschinen. «Die Herstellung eines Schirms dauert etwa 40 bis 45 Minuten. Schneiden, Stanzen, Saumen, Nähen, Griff aufsetzen», erklärt Strotz. Auch Spezialanfertigungen sind möglich. Möchte jemand Diamanten im Griff, warum nicht? Etwa 700 000 Schirme werden pro Jahr insgesamt verkauft. «Das schwankt natürlich, je nach Wetter.» Unabhängig vom Regen: Werbemittel. Neben dem Fach- oder Detailhandel das zweite Standbein des Unternehmens. Auch hier geht’s um Qualität. Werbegeschenke als Ramschware? Keinesfalls. «Das ist doch schlimm, weil es ein schlechtes Licht auf das Unternehmen wirft. Wenn du einen Schirm schenken willst, dann sollte er hochwertig sein.»

Schirme mit GPS und App
Ein eigenes Handwerk mit Lehre ist Schirmmacher schon lange nicht mehr. «Wir hatten früher Lehrlinge im Betrieb, beispielsweise Näherinnen oder KV. Aber heute ist unser Team zu klein für eine Ausbildungsbetreuung.» Wie also steht’s um die Zukunft, Stichwort Innovationen? Strotz sagt: «Da geht es zum Beispiel um Materialien, die den Schirm noch robuster und leichter machen.» Was es bereits gibt: batteriebetriebene Exemplare, die sich per Knopfdruck öffnen und schliessen lassen. Was bei Strotz noch in Entwicklung ist: Schirme, ausgestattet mit GPS und dazugehöriger App. «Verbunden mit einem Wetterdienst bekommt man die Erinnerung: Vergiss heute den Schirm nicht. Oder: Wenn du dich mehr als 50 Meter vom Schirm entfernst, schlägt das Handy Alarm.» Zum Schluss reicht Andrea Strotz einen ultraleichten Knirps, gute 100 Gramm Gewicht, absoluter Bestseller. Aus dem Spontantest wird nichts. Die Sonne scheint noch immer.

Michel Wassner

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