Blasorchester Siebnen: Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen

Das Blasorchester Siebnen erspielte sich im Auditorium Jules Verne in Amiens den 5. Platz. (Fotos: Armin Müller)

Das Blasorchester Siebnen (BOS) reiste vom 6. bis 8. Mai mit etwas mehr als 90 Personen und einem Lastwagen voll Instrumenten an die Europameisterschaften für sinfonische Blasorchester nach Amiens (Frankreich).

Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. Wenn ein ganzes Orchester auf Reise geht, dann kann man noch viel mehr erzählen. Aus den Erfahrungen der letzten EM-Teilnahme 2018 in Brüssel wusste das Projektteam, was auf es zukommen würde. Das Organisieren und Reservieren von 50 Zimmern war die erste Herausforderung und benötigte eine gewisse Vorlaufzeit. Da die Reisekosten von jedem BOS-Mitglied selber berappt werden mussten, waren die Anforderungen entsprechend gross. Es sollte eine preiswerte und eine noch günstigere Unterkunft angeboten werden. Die An- und Rückreise musste so speditiv wie möglich erfolgen, und ein passendes Probelokal sollte im Hotel oder in der Nähe vorhanden sein. Somit war klar, es brauchte professionelle Unterstützung. Die Ehefrau eines BOS-Mitgliedes ist Reisefachfrau, hat die Abklärungen und Reservationen vorgenommen und wirkte vor Ort als Reiseleiterin.

Die schnellste Variante nach Amiens zu kommen, war die Bahnfahrt mit dem TGV nach Paris und anschliessend weiter mit dem Bus nach Amiens. Das Ziel war es, am Samstagnachmittag noch eine letzte Probe zu ermöglichen. Da die Instrumente am Vortag separat transportiert wurden, musste niemand am Zoll warten, bis alle Stempel eingesammelt waren. Das war eine Verbesserung zur ersten EM-Teilnahme in Brüssel.

Instrumente für eine Viertelmillion
Wenn man mehr als 120 grössere und kleinere Instrumente im Wert von 250 000 Franken über die Grenze transportiert, bleibt einem nichts anderes übrig, als eine akkurate Liste aller Instrumente zu erstellen und diese bei der Handelskammer in Zollpapiere umzuwandeln zu lassen. Weiter braucht es einen Camion mit Anhänger, der auch gut verschlossen werden kann. Durch einen Zufall durften wir Nils Planzer, seines Zeichens CEO und VRP des gleichnamigen Transportunternehmens, kennenlernen. Er hat angeboten, uns bei diesem Projekt zu unterstützen. Er beauftragte das Tochterunternehmen Wespe in Schmerikon, uns ein geeignetes Fahrzeug und einen Fahrer zur Verfügung zu stellen. Zudem wurden wir durch die Firma Pesa bei der Zollabfertigung unterstützt. Ein grosses Dankeschön geht an dieser Stelle an alle Mitarbeiter von Planzer, Wespe und Pesa.

Nun konnte nichts mehr passieren. Doch kaum waren die Hotels und die Zugreise gebucht, gingen die Streiks zur Rentenreform in Frankreich los und wir wussten bis zuletzt nicht, ob «unser» Zug an diesem Wochenende wirklich fahren würde. Das hat aber geklappt und alle Musiker und Musikerinnen und mitreisende Fans haben am Samstag den TGV 9206 um 7:34 Uhr in Zürich bestiegen.

Zoll am Rückreisetag geschlossen
Am Freitagmorgen reiste ein Vorabdetachement nach Amiens, um den Proberaum im Hotel einzurichten und die Instrumente auszuladen. Der Transport der Instrumente funktionierte reibungslos und ohne Probleme bei der Zollabfertigung. Doch unser Zollfachmann bei der Firma Pesa machte darauf aufmerksam, dass die Rückreise am Montag wohl nicht klappen werde. In Frankreich sei der 8. Mai ein gesetzlicher Feiertag (Kriegsende im Westen) und entgegen der publizierten Öffnungszeiten werde der Zoll nicht arbeiten. C’est la vie – c’est la France. Es galt, übers Wochenende einen Plan B zu erarbeiten.

Proberaum im Hotel
Mit etwas Überredungskunst war es gelungen, im Hotel Mercure aus drei Konferenzräumen einen Proberaum zu machen. Nicht jedes Hotel ist begeistert, wenn ein 80-köpfiges Orchester am Samstagnachmittag mit mehr als 100 Dezibel eine Probe abhalten möchte. Kurz vor 15 Uhr trafen die Busse aus Paris ein und bereits um 15:15 Uhr konnte die Probe beginnen. Der spanische Komponist José Suñer-Oriola, welcher das Selbstwahlstück «Bäume von Einsiedeln» für uns komponiert hatte, reiste ebenfalls nach Amiens, um sein Werk ein erstes Mal live zu hören.

Nach der Probe war erst mal Ankommen, Auspacken und ein Stadtspaziergang angesagt. Bei einem feinen französischen Abendessen und ein wenig Wein wurde der Abend besiegelt. Denn bereits am Sonntagmorgen, 9:45 Uhr, war ein individuelles Einspielen angesagt. Alle waren angespannt und haben versucht, sich so gut wie möglich vorzubereiten. Doch unsere Harfenspielerin war besonders angespannt. Nach dem Frühstück wollte sie ihre Harfe aus dem Zimmer holen und transportbereit machen. Doch die Zimmertüre liess sich nicht mehr öffnen. Die Rezeption erstellte sofort einen neuen Badge, doch dieser funktionierte ebenfalls nicht. Mittlerweile war es 10:15 Uhr und die Abfahrt zum Wettspiellokal stand kurz bevor. Nach mehreren Versuchen und etwas Gewalt liess sich die Türe in letzter Minute doch noch öffnen – und die Fahrt zur Konzerthalle Megacité konnte beginnen. Genauer gesagt, eine Fahrzeugkolonne von zwei grossen Reisebussen und einem Camion.

Das Wettspiel kann beginnen
Nach dem Einspielen galt es, sich registerweise beim Bühneneingang aufzustellen. Nun mussten wir das abrufen, was wir über die letzten Monate geübt und einstudiert hatten. Doch – wie würde die Saalakustik sein, und haben wir genügend Platz? All die Fragen galt es nun zu vergessen – oder wie unser Dirigent Blaise Héritier immer sagt – jetzt kommt das Dessert, einfach nur geniessen. Das Wettspiel bestand aus einem Aufgaben- und einem Selbstwahlstück. Die Halle füllte sich und zusätzlich waren viele aus aller Welt per Livestream mit dabei. Nach einer knappen Stunde Musik und Konzentration kam die Erleichterung. Wir konnten unsere Leistung abrufen und unsere mitgereisten Fans und das Publikum bedankten sich mit einem frenetischen Applaus. Ein einmaliges Erlebnis und ein schöner Erfolg für eine «Musik vom Land». Das Blasorchester Siebnen reiste als fünftbestes sinfonisches Blasorchester von Europa zurück in die Schweiz. Den ersten Platz erspielt sich das Orchester der Stadt Trondheim (Norwegen), der zweite Platz ging an das belgische Orchester «Koniklijke Harmonie Peer» und auf dem dritten Treppchen stand das «L’Orchestre d’harmonie de la Région Centre» Frankreich.

Ein tolles Abschluss-Event
Ein solcher Erfolg musste gefeiert werden. Alle Teilnehmer und Begleit­personen trafen sich um 17 Uhr zum gemeinsamen Apéro mit anschliessendem Abendessen. Die Freude war gross und es wurde bis spätabends gefeiert. Doch da war doch noch etwas mit dem Rücktransport…? Der Camion mit Anhänger fuhr bereits am Montagmorgen los nach Basel. Unsere Reiseleitung vor Ort hatte übers Wochenende eine Unterkunft auf der französischen Seite in Basel organisiert. Der Chauffeur konnte dort übernachten und am Dienstagmorgen mit einem Tag Verspätung die Zollabwicklung machen. Alle Mitreisenden sind am Montag mit Bus und TGV via Paris wieder wohlbehütet zu Hause angekommen.

Armin Müller

Das Blasorchester Siebnen ist live zu hören am: Sa, 10., Juni Tischmacherhof in Galgenen ab 14 Uhr
www.blasorchester.ch
www.jubilaeum2023.ch 

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