Der Chef des Regionalen Führungsstabs Bachtel über einen möglichen Blackout

Auch auf einem alten Traktor fühlt sich Bauernsohn Roland Anderegg sichtlich wohl. Foto: Max Kern

Franz Steinegger (81), gewiefter Leiter des Krisenstabes bei den Urner Unwetterkatastrophen von 1977 und 1987, erhielt landesweit den Übernamen «Katastrophen-Franz». «Katastrophen-Roland» – ein Spitzname, auf den Stabschef Roland Anderegg gut verzichten kann.

Stürme, Unwetter mit Überschwemmungen oder Grossbrände? Können immer mal wieder vorkommen. Roland Anderegg (54), neuer Stabschef beim Regionalen Führungsstab Bachtel, fürchtet sich mehr vor einem länger anhaltenden Blackout – einem totalen Stromausfall mit fehlendem Handy-Empfang. Der Super-GAU. GAU steht für Grösster Anzunehmender Unfall. Seit Ende November 2023 ist Bauernsohn Anderegg, der ehemalige Kommandant der Hinwiler Feuerwehr, in den Oberländer Gemeinden Bäretswil, Bubikon, Dürnten, Fischenthal, Hinwil, Rüti und Wald zuständig für allfällige Katastrophen-Fälle. Laut der Homepage der Organisation ist «der Zweck des Bevölkerungsschutzes, die Bevölkerung und ihre Lebensgrundlagen bei Schadenereignissen von grosser Tragweite (Grossereignis), Katastrophen, Notlagen und bewaffneten Konflikten zu schützen, zur Begrenzung und Bewältigung von Schadenereignissen beizutragen und entsprechende Massnahmen zur Vorsorge zu treffen.» Bewaffneter Konflikt? In nur 1600 Kilometer Distanz von Hinwil liegt die ukrainische Hauptstadt Kiew.

Radioaktive Wolke
Was, wenn der Krieg zwischen Moskau und der Ukraine eskaliert und der russische Angreifer Wladimir Putin Atom-Waffen einsetzt und in der Folge auch verseuchte Luft am Bachtel landet?Anderegg runzelt die Stirn und sagt: «Das wäre dann das Problem von Bund und Kanton. Aber sicher: Die radioaktiv verseuchte Wolke würde nicht an der Kantonsgrenze Halt machen.» 25 Jahre leistete Anderegg, der hauptberuflich eine Firma für Agro-Dienstleistungen führt, Dienst in der Feuerwehr Hinwil. Nicht vergessen hat er einen Autounfall auf der (damals noch nicht richtungsgetrennten) Forch-Autostrasse A 52: Im Januar 2006 kamen bei Ottikon sechs Menschen ums Leben.

Unvergesslich ist für Anderegg auch ein Verkehrsunfall zwischen dem Hinwiler-Betzholz-Kreisel und Rapperswil, als zwei Menschen in ihrem Auto starben. Der Stabchef: «So etwas willst du nicht sehen. Aber ich kann relativ gut mit solchen Situationen umgehen, auch wenn die Bilder noch in mir drin sind. Bei rund 1000 Einsätzen habe ich viel gesehen, ich durfte aber vor allem auch vielen Menschen helfen.» Im Kern-Stab hat Anderegg zurzeit sechs erfahrene Kollegen neben sich. «Die Stäbe braucht’s zum Glück nie – oder fast nie. Im Kern-Stab sind fast alles Leute aus Notfall-Organisationen, die im Katastrophen-Fall nicht mit sich selbst ein Problem hätten und nervös würden.»

Albträume? «Nein», sagt der neue Stabschef. Aber vor einem Blackout («nur eine Zeitfrage, bis das mal eintrifft») hat Anderegg grossen Respekt. Bei einem flächendeckenden Stromausfall droht eine Massenpanik unter den Bewohnern, auch im Zürcher Oberland. «Wenn das Handy-Netz ausfällt, gibt’s richtig Probleme.» Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz schätzt, dass es in der Schweiz etwa alle 30 Jahre zu einem grösseren Stromausfall kommen kann.

Gibt’s eine Massen-Panik?
Die Spitäler haben für solche Fälle vorsorglich Notstromaggregate installiert. Anderegg: «Auch Polizei, Feuerwehr und Sanität würden funktionieren. Aber was macht die Bevölkerung? Gibt’s eine Massen-Panik? Anderegg weiss: Üben kann man solche Extremsituationen kaum, auch wenn der Führungsstab derartige Lagen in seinen Trainings und Vorbereitungen natürlich miteinbezieht. Der Stabschef: «Doch letztlich zeigt immer das Real-Ereignis, wie eine solche Situation abläuft und wie man die sich daraus ergebenden Probleme tatsächlich lösen kann.»

Max Kern

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