Am 22. September befindet das Stimmvolk über die Biodiversitätsinitiative. Im Abstimmungskampf geht es in erster Linie um den Erhalt der Artenvielfalt von Flora und Fauna.
Wenn es um die Biodiversitätsinitiative geht, steht meistens die Landwirtschaft im Mittelpunkt. Doch wie sieht es bei den Kommunen und den Privaten aus? Was tragen sie zur Biodiversität bei oder wie können sie diese verbessern? Die «Obersee Nachrichten» haben nachgefragt.
Wo ist die Stadt RJ aktiv?
Auf Anfrage bei der Stadt Rapperswil-Jona, was in den letzten paar Jahren bezüglich Biodiversität unternommen wurde, zählt Peter Lanz, städtischer Umweltbeauftragter, zahlreiche Punkte auf. So zum Beispiel die Bekämpfung von Neophyten in Siedlungs- und Naturschutzgebieten, zahlreiche Baumpflanzungen in Siedlung und Kulturland und die ökologische Aufwertung von öffentlichen Flächen. Dies geschieht zum Beispiel mit der Einsaat von Blumenwiesen oder dem Anlegen von Ruderalflächen. Auch der Werkdienst wurde auf ökologischen Unterhalt sensibilisiert. So wird vermehrt gemäht, statt gemulcht und statt Rasen gibt es Blumenwiesen. Weiter laufen in der Stadt Projekte in Zusammenarbeit mit dem Forstdienst. Diverse Vernässungsprojekte (Moosriet, Turbenland) seien bereits umgesetzt worden, ebenso die ökologische Aufwertung des Jona-Deltas.
Wie sieht es bei Privaten aus?
Eigentlich kann jeder, der mindestens über einen Balkon verfügt, zur Artenvielfalt beitragen. Denn neben dem Gasgrill und der Lounge-Ecke hat es sicher etwas Platz für ein paar Töpfe mit insektenfreundlichen Blumen oder Kräutern. Und nein, Geranien gehören nicht dazu; diese sind für Bienenartige nicht von Interesse. Jean-Marc Obrecht, Präsident Birdlife St.Gallen, sieht durch die Zunahme der Siedlungsfläche in den letzten Jahrzehnten eine Relevanz der Privatflächen bei der Erhaltung der Artenvielfalt. Und hier bestehe noch sehr viel Luft nach oben. Gartenbesitzer würden heute pflegeleichte Gärten mit ganzjährig blickdichten Einzäunungen verlangen. Das seien dann vielfach Schottergärten mit zwei Meter hohen Stahlplatten- oder Betonmauern als Sichtschutz. Die Schottergärten blieben dann nur durch den Einsatz von Totalherbiziden unkrautfrei und die Betonmauer speichere die Sommerhitze. Dabei wäre eine heimische Ligusterhecke eine naturnahe Alternative.
«Ungepflegte» Naturgärten
Die Frage, ob Naturgärten unter dem Ruf des «Ungepflegten» leiden, bejaht Obrecht. «Das ist leider so. Und tatsächlich ermöglicht ein verwilderter, ungepflegter Garten oft viel Natur. Der Umkehrschluss ‹Ein Naturgarten ist ungepflegt› ist aber falsch. Mehr Natur im Garten zuzulassen, ist auf ganz verschiedenen Ebenen möglich. Etwas vom Wichtigsten ist der Verzicht auf Herbizide, Insektizide und Fungizide sowie die Wahl einheimischer Pflanzenarten. Ob ich meinen Naturgarten geometrisch anlege oder eher wild gedeihen lasse, ist Geschmackssache. Der Natur dient beides.»
Wie sieht es der Gartenbauer?
Von Michael Meier, Peter Meier Gartenbau, wollten wir wissen, ob sich Privatkunden für naturnahe Gärten sensibilisieren lassen. «Der naturnahe Garten mit seiner Artenvielfalt ist ein nachhaltiges Ökosystem, welches seit längerer Zeit im Privatgarten, je nach Kundschaft, gewünscht wird, dies kann die ganze Umgebung oder Teilbereiche einbeziehen. In letzter Zeit ist daraus ein positiver ‹Trend› geworden, welcher immer mehr Gewicht erhält. Es werden vermehrt Blumenwiesen- oder Blumenrasenflächen anstelle von gepflegten Rasenflächen gewünscht und die Artenvielfalt bei der Bepflanzung nimmt zu.» Meier sieht bei Privaten eine Veränderung hin zu natürlichen Gärten. Durch Gespräche mit Kunden merke man schnell, ob sich jemand dafür begeistern lasse. Zudem seien solche Gärten vom Aufwand her, finanziell wie auch zeitlich, und als persönlicher Rückzugsort interessant. Sei es zum Beobachten oder einfach um sich zu erholen. Meier ist es jedoch wichtig, dass sich vermehrt auch die Liegenschaftsverwaltungen und Eigentümer von älteren Wohnüberbauungen des Themas annehmen. Hier ortet er grosses Potenzial. Könnten solche Akteure für naturnahe Umgebungen sensibilisiert werden, könnte ein Vielfaches an Flächen umgestaltet werden. Weg von den öden Gärten um die Gebäude, hin zu vielfältiger, artenreicher und interessanter Gartengestaltung. Diese Aspekte würden bei neueren Überbauungen schon vermehrt berücksichtigt und umgesetzt. Auch die öffentliche Hand sei hier teilweise schon Schritte weiter gekommen, so Meier.
Öffentlichen Bereich optimieren
Jean-Marc Obrecht sieht im öffentlichen Bereich noch grosses Potenzial, welches sich schnell nutzen liesse. Laut ihm hätte zum Beispiel nicht passieren dürfen, dass das Bloom-Areal neben dem Manor als temporärer Parkplatz vollständig asphaltiert wird. Als gekiester Platz wäre es ein wertvoller Pop-up-Lebensraum geworden. So ist der tote Asphalt eine weitere Hitzeinsel in der Innenstadt. Hier brauche es Beratung und Anreize und wohl auch neue Regeln. Auch grosse Bäume in der Innenstadt würden allen Bürgern nützen. Sie seien daher keine Privatangelegenheit, sondern von öffentlichem Interesse.
Die Landwirtschaft trägt schon einen grossen Teil zur Biodiversität bei. Das grosse Potenzial liegt aber im privaten und öffentlichen Bereich. Dort hat es jede Person selbst in der Hand, etwas zu bewegen. Entweder durch Teilnahme an politischen Prozessen in der eigenen Wohngemeinde, oder durch eine Begrünung des eigenen Balkons.
Sven Gasser