Die Eltern hörten Rock und Pop. Mit dem Schwyzerörgeli-Virus infiziert wird Sergio Theiler (39) als Kind von seinem Grossvater väterlicherseits. Seit 2010 baut er aus 2500 Einzelteilen seine Schwyzerörgeli. Zuerst im Wägital, seit 2015 in Wald.
1880 baute ein gewisser Robert Iten das erste Schwyzerörgeli. Auf «Schwyzerörgeli Online» steht, der Name des Musikinstrumentes stamme von Itens Wohnort Pfäffikon im Kanton Schwyz. Andere Chronisten behaupten, der schweizerdeutsche Name für Schweiz sei der Ursprung. Unbestritten: Der heutige Schwyzerörgeli-Bauer Sergio Theiler wird zu Hause in Dübendorf ZH von seinem Grossvater väterlicherseits mit dem Örgeli-Virus angesteckt. Die Volksmusik hört Klein Sergio auf Musikkassetten, später auf CDs. Mit 14 Jahren beginnt er selbst zu spielen. Mitten in der Schreinerlehre versucht sich Theiler erstmals als Örgeli-Bauer. «Das erste Gerät ging voll in die Hose, das Gerät war unbespielbar», sagt Theiler in seiner Werkstatt in Wald lachend.
200 Arbeitsstunden für 1 Örgeli
Nach der Lehre arbeitet der Örgeli-Freak als selbstständiger Schreiner. «Im Winter hatte ich mal drei Wochen nichts zu tun. Da probierte ich es nochmals. Der zweite Versuch ist nicht so schlecht rausgekommen.» Kann man das Handwerk lernen? «Nein. Man muss sich alles autodidaktisch beibringen. Die anderen Schwyzerörgli-Bauer zeigen einem nichts, das ist wie geheim.» Aus 2500 Einzelteilen setzt Theiler seine Örgeli zusammen. Sämtliche Teile bezieht er aus der Schweiz, nur die Stimmplatten werden aus Tschechien geliefert. Bis zu 200 Arbeitsstunden braucht’s, bis das urchige Instrument fertig ist. Fast die Hälfte der Zeit braucht Theiler für die Stimmbearbeitung. Schon im Vorfeld kann er mit der Holzwahl auf den Klang des Örgelis einwirken. Theiler: «Je dichter das Holz, zum Beispiel von Ahorn oder Kirsche, umso lauter und giftiger ist der Ton. Nimmt man Fichtenholz, gibt’s einen weicheren Ton. Die einen Kunden wählen ihr Örgeli wegen optischen Aspekten aus, andere wegen des Klangs. Zu mir kommen nicht die 08/15-Örgeler.» Auch die kleinsten Verzierungen (die Spezialisten nennen sie Intarsien) macht Theiler in Handarbeit. Das hat seinen Preis: Zwischen 8000 und 10 000 Franken kostet ein Theiler-Örgeli.
Bis zu zwei Jahre Wartezeit
Am Anfang seiner Karriere als Schwyzerörgeli-Bauer bezieht Theiler die geleimten Blasbälge von einem Kartonager. «Der war damals schon 75 Jahre alt. Ich ahnte, ich muss da selbst eine Lösung finden.» 2016 fertigt er seinen ersten Balg. «Zwei Jahre später erlitt der Kartonager ein ‘Schlägli’. Am Tag danach hatte ich alle Örgelibauer der Schweiz am Telefon. Damals arbeitete ich noch auf dem Bau.» Den Job als Schreiner hängt er an den Nagel. «Seit 2018 kann ich vom Örgeli bauen leben.» Zwischenzeitlich beschäftigte er vier Angestellte, mittlerweile hilft ihm nur noch eine Teilzeitangestellte. «Meine Hauptaufgabe ist heute, Blasbälge für viele Örgelibauer zu leimen. So 230 Bälge pro Jahre schaffe ich.» Und die Schwyzerörgeli? «Ich mache nur noch sechs Stück pro Jahr.»
Wer ein Original Theiler-Örgeli will, muss sich in Geduld üben. Theiler: «Eineinhalb bis zwei Jahre muss man warten.»
Max Kern