Die schnellsten Gewehre an der Biathlon-WM auf der Lenzerheide stammen aus einem Chalet im zürcherischen Wald: Zimmermann Rolf Stalder (53) erfand den Stalder Schaft, sein Sohn Sebastian (27) schiesst damit schneller als Norwegens Biathlon-Gott Bö.
Das deutsche Nachrichten-Portal sport.de schrieb kürzlich: «Fünf Schüsse ins Ziel in gerade einmal 17,1 Sekunden: Johannes Thingnes Bö hat im letzten Schiessen des Mixed-Staffelrennens in Lenzerheide ein regelrechtes Feuerwerk abgebrannt. Insgesamt war nur der Schweizer Sebastian Stalder (16,9 Sekunden) knapp schneller als Bö.» Bö hat mittlerweile am Fusse vom Lenzerhorn seinen 22. WM-Titel geholt und damit auch seinen legendären Landsmann Ole Einar Björndalen überholt. Sebastian Stalder ist neben Niklas Hartweg der talentierteste Schweizer Biathlet – und vor allem seit drei Jahren der zweitbeste Schütze der Welt. Neben seiner Schnelligkeit überzeugt er auch mit einer Trefferquote von über 90 Prozent. Eines seiner Erfolgsgeheimnisse: Im Schiessstand setzt er auf ein Gewehr der Marke Eigenbau. Sebastian, ebenfalls Zimmermann, bastelt mit seinem Vater 2014 erstmals am eigenen Schaft. Das kam so: Sebastians Schwester Selina wollte in der 3. Klasse der Sekundarschule als Abschlussarbeit ein Biathlon-Gewehr bauen. Vater und Sohn standen mit Rat und Tat zur Seite. Biathletin Selina traf in der Folge mit ihrem Gewehr hervorragend. Das war der Startschuss für Stalder Schaft! WM-Teilnehmer Sebastian erklärt die Vorzüge seines Gewehrs auf seiner Homepage so: «Die eigentliche Spezialität von Stalder Schaft liegt im Ladesystem. Mithilfe eines aus Aluminium gefertigten Ladeschachts, der sich im Gewehr befindet, besitzen unsere Gewehre eine Technologie, die in der Welt des Biathlonsports bisher einzigartig ist. Das selbst erdachte System lässt es zu, dass sich die Magazine direkt im Schaft befinden und das jeweils neue Magazin beim Magazinwechsel direkt nachrutscht. Dies ermöglicht es dem Schützen, seine Schiesszeit um ein paar Sekunden zu verbessern.»
120 Stunden für einen Schaft
Papa Rolf Stalder erklärt die Unterschiede zu «normalen» Gewehren so: «Bei unserem Schaft kann der Schütze mit einem Finger laden, bei den anderen brauchen er die ganze Hand.» Stalders Schaft ist vom Internationalen Biathlon-Verband IBU anerkannt. Sebastian (27) und sein Bruder Gion (25) schiessen seit sechs Jahren mit dem Stalder Schaft. Papa Rolf: «Die Norweger beobachten uns schon lange, die Deutschen auch.»
16 Schäfte seien weltweit im Einsatz, sagt Rolf Stalder. Und: «Die anderen verwenden türkische Nussbäume, wir Holz aus der Schweiz.» Weymouthsföhrenholz, ursprünglich in den USA heimisch, wächst auch am Walder Hausberg Bachtel. Dank Karboneinlagen sind die Walder Gewehre, sie bringen das von der UBI vorgeschriebene Gewicht von mindestens 3,5 kg auf die Waage, sehr robust. Rolf Stalder: «Unsere Schäfte können nicht brechen.» Darum haben seine Söhne nur je ein Gewehr im Gepäck dabei.
Lauf schiesst, Schaft zielt
120 Stunden bastelt Papa Schärer in seiner ungeheizten Walder Werkstatt an der Schützenstrasse (nomen est omen…) an einem Gewehr. Die Kosten? «Immer 3500 Franken, egal, ob ich Berge oder einen Wolfskopf schnitzen muss.» Die Glarner Biathletin Lydia Hiernickel liess sich von Stalder Glarner Berge samt Martinsloch in den Gewehrkolben schnitzen.
Den Stalder Schaft von Sebastian Stalder können Sie am Samstag ab 15.00 Uhr auf SRF 2 live bei der Staffel bewundern, am Sonntag, dem letzten WM-Tag, ist um 15.50 Uhr der Massenstart der Männer zu sehen. Und eine uralte Weisheit unter Schaftmachern heisst: «Der Lauf schiesst, der Schaft zielt.»
Max Kern