Seegräben – Von den Prärien Nordamerikas über die Metropolen dieser Welt – und nun endlich wieder daheim im Zürcher Oberland. Willard, das gewaltige Skelett eines Triceratops, ist zurück im Sauriermuseum Aathal.
Und es ist nicht irgendein Triceratops – Willard ist der grösste, der je entdeckt wurde. Ein Urzeit-Star mit Weltkarriere, der nun zum neuen Herzstück einer spektakulären Ausstellung wird.
Sein Abenteuer begann 2017 auf einer Ranch im US-Bundesstaat North Dakota. Gefunden wurde Willard von einem erfahrenen Fossilienjägerduo, das schon seit Jahren nach Überresten des berühmten Horndinosauriers suchte. Als sie auf einen gigantischen Oberschenkelknochen stiessen, war sofort klar: Dieses Tier ist anders. Grösser. Mächtiger.
Der Fund landete im Fokus des Sauriermuseums Aathal. Und von dort aus nahm Willards Welttournee ihren Lauf: erst nach Italien zur Montage, dann nach Hongkong in die internationale Ausstellung «The Big 8», wo er über 890 000 Besucher begeisterte – und schliesslich nach München. Heute, fast drei Jahre später, steht er wieder in Aathal – bereit, sein Publikum im Sturm zu erobern.
Grösser als alles Gefundene
Mit 8,5 Metern Länge und 3,6 Metern Höhe sprengt Willard alle bisherigen Dimensionen. Keine andere Triceratops-Entdeckung kommt da heran. Im Museum wurde das Skelett aufwendig montiert – ein Puzzle aus echten Knochen, computergestützten Rekonstruktionen und robotergefrästen Nachbildungen. Rund 45 Prozent des Skeletts sind original – darunter das Nasenhorn, eines der charakteristischen Augenhörner, Beckenknochen mit sichtbaren Bissspuren sowie ein massiver Oberschenkelknochen. Ein echtes Mosaik aus Vergangenheit und Hightech.
Ein Gigant mit Narben
Willard ist nicht nur imposant, sondern auch ein Überlebenskünstler. Seine Knochen erzählen Geschichten von Kämpfen – verheilte Frakturen und Bissspuren deuten auf Auseinandersetzungen mit Raubtieren hin, darunter möglicherweise sogar mit dem legendären T-Rex. Dass die beiden Giganten sich früher begegnet sein könnten, ist kein Zufall: Triceratops gilt als einer der Hauptkonkurrenten des Tyrannosaurus rex.
Mit seinen drei Hörnern, dem riesigen Nackenschild und einer enormen Körpermasse war der Pflanzenfresser alles andere als wehrlos. Kämpfe waren jedoch nicht nur Raubtieren vorbehalten: Auch unter Artgenossen wurde mit Hörnern und Muskelkraft um Reviere und Rangordnung gerungen. Ein Dino mit Durchsetzungsvermögen.
Würdiger Nachfolger für T-Rex
Bis vor Kurzem war das T-Rex-Skelett Trinity das Highlight im Aathaler Museum. Über Monate zog es Massen an – mehr als 1500 Besucher an Spitzentagen. Doch Trinity ist weitergezogen nach Belgien, und die Bühne ist nun frei für Willard.
Ein würdiger Nachfolger: Zwar überragt Trinity Willard um gerade einmal 30 Zentimeter, doch auch der Triceratops versteht es, Eindruck zu machen – nicht nur durch seine Grösse, sondern durch seine Geschichte, sein Erscheinungsbild, seine Narben.
Die neue Ausstellung widmet sich ganz der faszinierenden Familie der Ceratopsier. Zehn spektakuläre Schädel ihrer Vertreter, mit den verrücktesten Hörnern und Nackenschilden, flankieren Willard und lassen seine Welt wieder lebendig werden. Die Ausstellung ist seit dem 11. April für das Publikum geöffnet und wird mindestens zwei Jahre zu sehen sein.
Stolze Direktorin
Yolanda Schicker-Siber, die neue Direktorin des Museums, ist stolz: «Wir haben Willard selbst präpariert, unser Team kennt jede Faser. Es war ein emotionaler Moment, als er wieder bei uns ankam.» Und sie ist überzeugt: Der Triceratops ist der Publikumsliebling – direkt nach dem T-Rex. Oder vielleicht sogar davor?
Thomas Hulliger