Grüningen – Nach 45 Jahren im Dienst der Pferde verabschiedet sich Walter Wolf (65) und übergibt an einen Nachfolger.
Wer Walter Wolf bei der Arbeit beobachtet, sieht weit mehr als Handwerk: Es ist Präzision, Leidenschaft und eine Prise Magie. In der Glut seiner mobilen Schmiede formt er mit ruhiger Hand das glühende Hufeisen, legt es für Sekunden auf den unempfindlichen Rand des Hufs – ein heisser Moment, der für das Pferd schmerzfrei, aber für den Betrachter beeindruckend ist. Danach folgt das finale Festnageln. Ein Prozess, der seit der Zeit der Römer kaum verändert wurde – Amboss, Hammer, Feuer. Mehr braucht es nicht.
Meister der Massarbeit
«Jedes Pferd ist einzigartig», sagt Wolf. Ob Freizeitpony oder teures Sportross – ihre Hufe brauchen Aufmerksamkeit und individuelle Lösungen. Von klassischen Beschlägen über orthopädische Hilfen bis zu Sonderanfertigungen bei Fehlstellungen: Wolf hat das Hufeisen zur Massanfertigung erhoben. Ledersohlen, Spezialwinkel – wie beim Mass-Schuh für Menschen.
Dabei war der Weg des Schmieds alles andere als gradlinig. Seine Karriere begann in den 1980er-Jahren am Tierspital Zürich, wo er das Handwerk von der Pike auf lernte – inklusive Kutschen- und Wagenradbeschlägen. Nach Stationen in Dürnten und dem Tessin, wo er als einer der wenigen Hufschmiede eine Marktlücke füllte, landete er in Grüningen. Seit 2011 prägte er zusätzlich als Pächter der Hufschmiede im Zürcher Tierspital die nächste Generation von Hufexperten.
Würdiger Nachfolger steht bereit
Jetzt übernimmt Juraj Hodas. 31 Jahre jung, ausgebildet von Wolf und seit einem Jahrzehnt treuer Weggefährte. «Er war streng, aber fair – und hat mich geformt», sagt Hodas mit Respekt. Ab dem 1. Mai führt er den Betrieb weiter – mit eigener Schmiede in Schwerzenbach und einem mobilen Team, das weiterhin in der Region unterwegs sein wird. Die Liebe zu Pferden, zur Tradition und zum Handwerk – all das lebt in Hodas weiter. Und doch geht mit Wolfs Rücktritt eine Ära zu Ende. Eine Ära, in der der Beruf nicht nur ein Job war, sondern eine Berufung.
Das Vermächtnis des Schmieds
«Ich habe den richtigen Beruf gewählt», sagt Wolf. «Man arbeitet mit Tieren, mit Menschen – und ist Handwerker durch und durch.» In seinem Stall stehen noch heute seine privaten Pferde und einige Kutschen – bereit für Fahrten mit Nostalgie. Sein letzter Hammerschlag ist mehr als nur das Ende einer Karriere. Es ist der Anfang einer neuen Geschichte – geschrieben von einem Mann, der den glühenden Stahl liebte und dem Huf einen würdigen Platz in der modernen Welt gab.
Thomas Hulliger