Zürich – Seit vergangenem Sonntag gelten im Kanton Zürich neue Regeln für Hundehalter, und die haben es in sich. Alle Hundebesitzer, egal ob mit Dackel, Dalmatiner oder Dobermann unterwegs, müssen ab sofort die Schulbank drücken.
Was sich nach Bürokratie anhört, soll tatsächlich für mehr Sicherheit, Tierschutz und eine bessere Beziehung zwischen Zwei- und Vierbeinern sorgen. Die Neuerungen basieren auf einer längeren politischen und juristischen Achterbahnfahrt. Nachdem der nationale Sachkundenachweis (SKN) Ende 2016 abgeschafft wurde, reduzierte sich die Ausbildungspflicht im Kanton Zürich lediglich auf grosse und massige Hunde.
Volk sagte 2019 Ja
Doch das gefiel vielen nicht. Eine Volksabstimmung 2019 brachte die Wende: Rund 70 Prozent wollten die Ausbildungspflicht beibehalten. Der Regierungsrat versprach daraufhin, die Schulpflicht auf alle Hunderassen auszuweiten, ein Versprechen, das nun eingelöst wird. Das bedeutet konkret: Wer zum ersten Mal einen Hund hält oder nach mehr als zehn Jahren wieder einen Vierbeiner anschafft, muss einen zweistündigen Theoriekurs absolvieren. Dieser Kurs vermittelt die Basics, vom rechtlichen Rahmen bis zum artgerechten Umgang mit dem Tier und schliesst mit einer Prüfung ab. Frühestens ein Jahr vor und spätestens zwei Monate nach der Anschaffung muss dieser Kurs besucht werden. Doch Theorie allein reicht nicht. Deshalb gilt neu: Es muss ein sechsstündiger Praxiskurs absolviert werden, unabhängig von Rasse, Grösse oder Gewicht des Hundes. Ziel ist, die Grundausbildung einheitlich und praxistauglich zu gestalten. Die Kurse beginnen frühestens ab dem sechsten Lebensmonat und müssen innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein. Wer die Lernziele nicht erreicht, muss nachsitzen.
Die Kosten? Zwischen 200 und 500 Franken, je nach Anbieter.
Tierschutz: Applaus und Kritik
Auch auf der anderen Seite der Hundeleine tut sich was: Wer künftig Hundekurse anbieten will, braucht eine offizielle Bewilligung. Dazu müssen angehende Trainer eine theoretische und praktische Prüfung bestehen – so soll ein kantonal einheitlich hoher Qualitätsstandard gewährleistet werden. Der Zürcher Tierschutz begrüsst die Rückkehr zur flächendeckenden Ausbildungspflicht. Insbesondere die Gleichbehandlung von kleinen und grossen Hunden sei überfällig: Schliesslich brauchen alle Hunde Sozialisierung und eine gewaltfreie Erziehung. Die Praxiskurse stärken nicht nur die Bindung zwischen Mensch und Tier, sie fördern auch das Verständnis für individuelle Bedürfnisse.
Zoologin Nadja Brodmann sieht dennoch Verbesserungspotenzial. Die Mindestanzahl an Lektionen sei nur ein erster Schritt, wer wirklich verantwortungsvoll mit seinem Hund umgehen wolle, müsse tiefer einsteigen. Auch der Zeitpunkt des Theoriekurses sollte überdacht werden: Am besten vor der Anschaffung, um unrealistischen Erwartungen und späteren Tierheimabgaben vorzubeugen.
Gesetzlicher Flickenteppich
Trotz der positiven Signale bleibt ein Wermutstropfen: Der Kanton Zürich geht den Weg allein. Während mit dem «Nationalen Hundehalter-Brevet» eigentlich eine schweizweite Lösung auf dem Tisch läge, zieht derzeit nur der Kanton Luzern mit. Der Rest der Schweiz bleibt ein gesetzlicher Flickenteppich. Tierschutzkreise hoffen daher auf Vorstösse im Nationalrat, die einen einheitlichen Sachkundenachweis fordern – zum Wohl von Mensch und Tier.
Thomas Hulliger