Als das Oberland 1525 rebellierte: Bauern stürmten Klöster und Tranken Wein auf dem Altar

Der Sturm auf Klöster, wie in Ittingen, fand auch in Rüti statt. (Foto: zVg)

Zürcher Oberland – Vor 500 Jahren brodelte es im Zürcher Oberland, eine Rebellion mit Wucht, Witz und Weinrausch. Die Glocken des Klosters Rüti hallten durchs Land, doch nicht die Mönche riefen, sondern aufgebrachte Bauern.

Ein Frühlingstag, der alles veränderte: Am 23. April 1525 war es im sonst so beschaulichen Kloster Rüti vorbei mit der himmlischen Ruhe. Ein wütender Mob aus rund 100 Oberländer Bauern stürmte das Kloster, läutete die Glocken zum «Landsturm» und machte sich mit heiligem Ernst über die Weinfässer her. Doch es ging nicht nur um Wein. Es ging um Freiheit. Und um einen Abt, der verdächtig klösterliche Schätze Richtung Rapperswil in Sicherheit bringen wollte. Die Bauern vereitelten den Fluchtversuch und blieben. Zuerst im Weinkeller, dann am Verhandlungstisch.

Plünderungen und Flammen
Der Funke entzündete ein politisches Flächenfeuer. Nur einen Tag später schlossen sich Hunderte dem Aufstand an. Bis zu 1200 Männer sollen es gewesen sein. Auch das Haus des Johanniterordens im nahe gelegenen Bubikon wurde besetzt, Heiligenbilder gingen in Flammen auf, Vorräte wurden geplündert. Die Rebellen forderten nicht nur Brot und Wein, sondern gleich eine neue Weltordnung! Ganz im Geiste der Reformation, die gerade Zürich im Sturm eroberte. Und wie verhandelt man mit Bauern, die auf dem Altar Wein trinken und dabei politische Manifeste entwerfen? Der Zürcher Rat schickte eine Delegation. Die Rebellen präsentierten selbstbewusst ihre 27 Forderungen: Abschaffung der Leibeigenschaft, keine Zehnten mehr, Mitspracherecht in religiösen und politischen Belangen.

Später schilderte Johannes Stumpf, Prior des Johanniterhauses, die entfesselten Tage mit drastischen Worten: «Ein solich Zulouffen, Fressen, Suffen, Toben, Wüeten, Schryen, Kotzen» – die Bauern hatten sich offenbar nicht nur nach Gerechtigkeit, sondern auch nach einem guten Rausch gesehnt.

Doch trotz all der Tumulte: Ein Flächenbrand wie in Süddeutschland blieb der Eidgenossenschaft erspart. Es kam nicht zum Bürgerkrieg. Die Aufständischen lösten sich nach einigen Tagen auf, in der Hoffnung, der Zürcher Rat würde sie ernst nehmen. Es folgte eine Kundgebung mit 4000 Teilnehmern vor dem Kloster Töss und im Juni eine zürcherische Bauernversammlung in Kloten. Doch der grosse Wandel blieb aus. Ein paar kleine Zugeständnisse, etwas weniger Zehnten, hier und da gelockerte Leibeigenschaft, das war’s. Die grosse Freiheit blieb ein Traum.

Thomas Hulliger

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