Jahrhunderthochwasser zwischen Auffahrt und Pfingsten 1999 – ein Rückblick

Neue Sportart: Waterbike. (Fotos: Archiv sga/Sonderausgabe ZSZ/LZ)

Auffahrt und Pfingsten 1999 waren alles andere als beschauliche Feiertage. Starke Regenfälle liessen zusammen mit Schmelzwasser die Pegel schweizweit steigen.

In den Alpen lag noch viel Schnee Anfang Mai 1999. Lawinen gingen im Glarnerland nieder und dann setzte am 10. und 11. Mai ein himmelentleerender Dauerregen ein. Durch den anhaltenden Regen schmolz der Schnee und sorgte für noch mehr Wasser. Murgänge und Geschiebe in den Bächen und Flüssen waren die Folge, der Pegel des Linthkanals stieg und stieg. Am Auffahrtsdonnerstag wurde dann Katastrophenalarm ausgelöst. Menschen und Tiere wurden aus der Gefahrenzone Linthgebiet evakuiert und man begann fieberhaft die Dämme zu verstärken. Alle verfügbaren Hilfskräfte und Maschinen wurden aufgeboten, um am Linthkanal das Schlimmste – einen Dammbruch – zu verhindern.

Ein kurzes Aufatmen
Kurz nach Auffahrt beruhigten sich die Regenfälle etwas, setzten dann aber wieder in grosser Stärke ein. Am Pfingstsamstag mussten sich alle Helfer zurückziehen, zu gross war die akute Gefahr eines Dammbruchs. Erst nach den Pfingsttagen sanken die Pegel und man konnte mit den Aufräumarbeiten beginnen. Personenschäden waren keine nennenswerten zu vermelden, jedoch waren die Schäden an Gebäuden und Infrastruktur beträchtlich.

Goldfische im Südquartier
Einer, der sich gut erinnern mag, ist Martin Traber, damals in der noch nicht fusionierten Feuerwehr Rapperswil als Unteroffizier im Pikett als Fahrer und Maschinist eingeteilt. Unter der Führung von Kommandant Kurt Looser (†) wurden die Einsatzkräfte bestmöglich verteilt. Besonders betroffen vom hohen Pegelstand war natürlich das Südquartier. Traber erinnert sich: «Am frühen Nachmittag ist im überschwemmten Südquartier ein Knabe mit Kessel und Feumer zu mir gekommen und hat gefragt, ob wir seine Goldfische gesehen hätten. Diese seien ihm aus seinem überlaufenen Teich entschwommen. So tragisch es war, wir konnten ihm nicht helfen. Umso erstaunlicher war, als er etwa vier Stunden später mit seinem Kessel zu uns kam und berichtete, dass er alle Goldfische wieder gefunden habe – es hat ihm keiner gefehlt.»

Zivilschutz zu spät aufgeboten
Martin Traber merkt an, dass der Zivilschutz zu spät aufgeboten wurde. Vielleicht sei auch die Lage anfangs unterschätzt worden. Die Feuerwehren waren Tag und Nacht im Einsatz mit vielleicht drei Stunden Schlaf in der Nacht. Irgendwann sei der Punkt gekommen, dass alle zu erschöpft waren und keine Reserven mehr hatten. Zudem fehlte es auch zunehmend an Material. Innert kürzester Zeit gab es keine Tauchpumpen mehr, auch die Geschäfte waren leer gekauft.

Strandhotel geflutet
Bestens erinnern kann sich auch Jost Wenk, damals Kommandant der Feuerwehr Schmerikon. Die hohen Pegel führten zu Wasserdruck in den Gebäuden. Betroffen war auch das Strandhotel direkt am See. Der Saal des Hotel liegt sogar unter Niveau. So hätten sie beschlossen, eine fast zwei Meter hohe Wand aus Sandsäcken zu bauen, mit Plastik abzudichten und das Wasser abzusaugen. Doch das Wasser drückte von unten her und drohte das Gebäude anzuheben. Um das zu verhindern, sei beschlossen worden, den Saal zu fluten, so Jost Wenk. Das stundenlange und mühsame Aufschichten der Sandsäcke sei vergebens gewesen, jedoch konnte das Gebäude so geschützt werden. Auch in Schmerikon war die Feuerwehr am Anschlag. Schliesslich sei sie für Erstinterventionen zuständig und man musste die Männer auch für allfällige Brandfälle bereit haben. Nach zwei Tagen habe dann der Zivilschutz übernommen.

Bange Erinnerungen und Glück
Der Schmerkner Claudio De Cambio, Ratsschreiber und damals im Gemeindeführungsstab, hat bange Erinnerungen ans Hochwasser. Noch heute habe er ein mulmiges Gefühl im Frühling, wenn auf die Schneeschmelze noch Dauerregen angesagt sei. Doch er denke auch ans grosse Glück, das die Region damals hatte, indem die grosse Flut in der Linthebene ausblieb und die Dämme standhielten. Heute beruhige es, dass die Linth nun hochwassersicher sei. Auch De Cambio erlebte Tage grosser Anspannung. «Ich stand in der Zeit während rund 10 Tagen aneinander im Einsatz und habe pro Nacht kaum mehr als drei Stunden geschlafen – war praktisch rund um die Uhr im Einsatz. Als ich mich einmal um Mitternacht hinlegen konnte, klingelte um zwei Uhr das Telefon. Mein erster Gedanke war, der Damm ist gebrochen. Aber es war zum Glück nur ein Radiomoderator, der wissen wollte, ob es etwas Neues gibt.» Positiv erinnert sich De Cambio, wie die Einsatzkräfte Hand in Hand arbeiteten, um der Situation Herr zu werden. Und wie alle im Einsatz stehenden, Angehörige der Feuerwehren, des Zivilschutzes, Gemeindeführungsstab, Kantonaler Führungsstab, Polizei, Seerettung und Private sich einsetzten, einander unterstützten und Dienst leisteten bis an die Grenze ihrer eigenen Kräfte. Beat Jud, ehemaliger Geschäftsführer der JMS AG und Vizepräsident des Gemeinderates, war Chef des Gemeindeführungsstabes in Schmerikon. Mit seiner Erfahrung als Armeeoffizier stellte er einen kompetenten Stabschef, der jederzeit die Übersicht behielt.

In Benken wurde damals ein interkantonaler Führungsstab eingerichtet, der koordinierte und auch informierte. Vom Hochwasser waren im Einzugsgebiet der Linth, Obersee und Zürichsee die Kantone Glarus, St. Gallen, Schwyz und Zürich betroffen. Es zeigte auch die Dringlichkeit der inzwischen erfolgten Sanierung der Linth.

Sven Gasser

Quellen: Linthwerk, BWG, Archiv sga, Sonderausgabe ZSZ/LZ

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