Die Aussicht aus den Zimmern ist atemberaubend. Doch die Unterkunft hat Nachteile: Die Fenster sind vergittert – und es gibt eine ellenlange Liste mit Gaben und Effekten, die nicht auf die Anlage gebracht werden dürfen. Willkommen im Hotel Gitterblick!
Die «Hotel»-Anlage befindet sich am Fusse des Bachtel in Ringwil oberhalb von Hinwil. Keiner bucht hier freiwillig eine Übernachtung. Die Anlage mit Panorama-Blick Richtung Westen heisst «Vollzugszentrum Bachtel (VZB)» – und steht nur Männern zur Verfügung. Auf der Homepage steht: «Das Vollzugszentrum Bachtel ist eine auf den offenen Vollzug von Freiheitsstrafen spezialisierte Institution (…) und vollzieht in dieser Funktion in erster Linie Ersatzfreiheitsstrafen, welche auf Grund von schuldhaft nicht bezahlten Geldstrafen oder Bussen vollzogen werden müssen.» Oder einfacher gesagt: Büssen für Bussen.
Weiter ist zu lesen: «Neben den Ersatzfreiheitsstrafen werden im VZB auch ordentliche Freiheitsstrafen im offenen Setting vollzogen. Dazu stehen gesamthaft 94 Plätze zur Verfügung. Das VZB hat im Rahmen seiner besonderen Aufgabenstellung sehr oft Personen mit Suchterkrankungen zu betreuen, weshalb es über einen gut ausgebauten internen medizinischen und sozialen Betreuungsdienst verfügt.»
Keine Feilen, kein Alkohol
Das 1881 eröffnete Vollzugszentrum ist die einzige Institution im Kanton Zürich, in der Straffällige ihre Freiheits- und Ersatzstrafen im offenen Vollzug verbüssen können. Die Häftlinge (auch die Pensionierten!) arbeiten ausserhalb des gesicherten Bereiches, sie sind am Tag nicht in Zellen eingesperrt, sondern können sich im Haus frei bewegen. Gearbeitet wird unter anderem in der Landwirtschaft, in der Gärtnerei, in der industriellen Produktion, in der Küche oder bei Technik und Unterhalt.
Im Jahr 2023 verzeichnete das VZB rund 700 Ein- und Austritte. Davon betrafen gut 450 eine Ersatzfreiheitsstrafe, die wegen nicht bezahlter Geldstrafen oder Bussen vollzogen wurde. Das VZB schreibt: «Durchschnittlich hielt sich ein Straffälliger 40 Tage hier auf.» Die knapp 60 Mitarbeitenden haben «sehr oft Männer mit Suchterkrankungen zu betreuen – gut die Hälfte davon ist betroffen und davon wiederum ist jeder Dritte in einer Heroin-Substitutionstherapie.»
In der Hausordnung steht unter Paragraph 20: «Auf dem gesamten Areal (…) ist den Inhaftierten die Herstellung, der Besitz, der Konsum und der Handel von Alkohol, illegalen Substanzen und legalen Cannabisprodukten (CBD) sowie das Aufbewahren von Utensilien für den Drogenkonsum verboten.»
Auf dem Merkblatt «Sperrliste: Gaben und Effekten» sind auf 73 Positionen von A wie Alkohol in allen Formen bis Z wie Zitronensaftkonzentrat (wird gerne mit Heroin gemischt) aufgeführt. Darunter Feilen aller Art, CDs und DVD-Rohlinge, Kaugummi, Rasiermesser, Handys, Wasserpfeifen sowie pornografische Bilder und Literatur.
32 Franken Lohn – pro Tag...
Die Insassen sind verpflichtet, einer Arbeit nachzugehen. Sie werden für ihre Leistung gemäss den Richtlinien der Ostschweizer Strafvollzugskommission mit einem Arbeitsentgelt von 32 Franken im Tag entlöhnt. Wer ausserordentlich gute Leistungen erbringt, erhält 40 Franken – pro Tag.
Besuchszeiten auf der Anlage sind am Samstag- und Sonntagnachmittag jeweils zwischen 14 und 16 Uhr. Besucher können nur von den Inhaftierten angemeldet werden. Unangemeldete Besucher werden nicht zugelassen.
Max Kern