Neue Perspektiven in Pfäffikon: Familie in besonderem Licht

Neue Ausstellung dreht sich um das Thema Familie. Foto: M. Wassner

Im Vögele Kultur Zentrum wagt man sich wieder an ein grosses Thema, bricht es herunter, bereitet es unterhaltsam und auch kritisch auf. Ein Besuch der neuen Ausstellung lohnt sich.

Eine Ausstellung, die mehr Fragen stellt als Antworten liefert, beginnt auch so: mit Fragen. Und nur wenige Themen sind so alltäglich und gleichzeitig so komplex wie Familie. Genau um die geht es aber ab dem 15. November im Vögele Kultur Zentrum in Pfäffikon. «Doing family. Über Erwartungen, Macht und Liebe.» Tönt vielversprechend? Ist es auch. So wie das Treffen vorab mit zweien der Köpfe dahinter: Stephan Lichtensteiger und Beat Gugger. Ein Rundgang, dem ein Gespräch vorangeht. Bereits der Titel sorgt für Redebedarf. Doing? «Ja, denn Familie ist ein Prozess, eine Herstellungsleistung», so Beat Gugger. Leistung, Erwartung, Macht, Worte fernab vom verklärten «Familie ist ­Liebe»-Bild. Eine Beobachtung, kein Zufall. Gugger sagt: «Familie ist immer etwas, das verhandelt werden muss. Sie ist nicht einfach. Familien stehen unter Druck, müssen vieles aushalten, aber gleichzeitig funktionieren. Und das tun sie meistens auch ganz gut.» Familie ist ausserdem etwas, dem keiner entkommt. «Man kann sich nicht abkoppeln von der Familie. Sich loszusagen ist fast unmöglich. Die Familie ist wie ein Ankerpunkt im Leben, den man nicht loswird», so Gugger.

Vier Hörspiele als Struktur

Es ist eine kritische Auseinandersetzung mit einem teilweise verklärten Thema. Keine Fernsehwerbung-Kleinfamilien-Romantik. Das muss man sagen. Familie sucht man sich schliesslich nicht aus. «Manche Menschen hätte man vielleicht lieber nicht im Stammbaum. Aber man hat eben keine Wahl», so der Kurator. Anstelle einzelner Kapitel dienen vier Hörspiele als strukturgebendes Element. Erzählt wird die Geschichte einer (fiktiven) Familie über 15 Jahre hinweg. Menschen, die zu Begleitern durch die Ausstellung werden. Man erlebt, wie sich die Familie verändert, entwickelt. Rundherum gruppieren sich die Themen. Sie sind wie gewachsen. Das sorgt für Authentizität. Man könnte das vielleicht mit einem Familienroman vergleichen. «Es sind Szenen, die wir alle kennen», heisst es von den Machern. «Die Audiohörspiele sind selbst Kunst, man merkt da den Theaterhintergrund von Stephan Lichtensteiger», sagt Alexandra Könz, Operative Leiterin des Vögele Kultur Zentrums. Man wählte bewusst emotionale Themen zur Strukturierung statt eines wissenschaftlichen Rasters. Wie immer im Vögele Kultur Zentrum folgt die Ausstellung dabei einer Dreiteilung: Kunst, Alltag, Wissenschaft. «Die Kunst spielt eine wichtige Rolle», sagt Lichtensteiger, «die Interviews mit Fachleuten sind eine starke Erweiterung der Inhalte. Verschiedene vertiefende Positionen von Leuten, die sich den ganzen Tag mit den Themen befassen.» Da wäre zum Beispiel die Historikerin, die sich mit Stammbäumen beschäftigt. Oder die Beraterin im psychosozialen Bereich, die beruflich mit häuslicher Gewalt zu tun hat.

Welten aus Karton

Das Kuratorenteam befasst sich seit etwa eineinhalb Jahren mit dem Thema, der Ausstellung. Begonnen hat alles mit einem Workshop und einer Eingrenzung. Die intensive Auseinandersetzung merkt man beim Gang durch die Räume des Vögele Kultur Zentrums. Empfangen wird der Besucher mit Fragen, an der Wand. «Wie viel ‘Ungesagtes’ hat sich innerhalb deiner Familie angehäuft?» «Wie grenzt du dich von deiner Familie ab?» Oder: «Wenn Sie nur ein Familienmitglied auf eine einsame Insel mitnehmen dürften, wer wäre das?» Mit diesen Fragen wird man auf die Reise geschickt, sagt Beat Gugger. Ein Gang übrigens durch eine Welt aus Karton. Nur Industrie-Schick? Keineswegs. Gugger: «Es ist eine Baustelle, Work-in-Progress, nicht fertig.» Das gilt für die Ausstellung und die Familie auch.

Spielen und fragen

Ein möbliertes Kinderzimmer. Das Thema Geheimnisse, Tabus in Familien. So vieles, über das man nicht spricht. Der Besucher wird immer wieder angeregt, über zentrale Begriffe nachzudenken, über Alltägliches. Ein paar Bücher an der Wand. Man darf lesen und der Frage nachgehen: Was ist Familie? Woher stamme ich? Auch das Thema häusliche Gewalt gehört zu Familie, genauso wie das Thema Macht. Da steht ein Esstisch. Dort kommt die Familie zusammen. Es ist aber auch ein Ort der Kontroverse, der Diskussion. Und so laden auch einzelne Punkte der Ausstellung bewusst Familien zum Diskutieren ein. Es geht um die Themen Armutsrisiko, Öffentlichkeit, Privatheit und vieles mehr. Stets dabei: ein Bedeutungswandel. Einst galten viele Kinder als Mittel gegen Armut. Heute muss man sich auch nur ein Kind schon leisten können. Dann ist da aber auch ein Tisch voller Spiele. Er lädt zum Mitmachen ein. Wie immer setzt man im Kultur Zentrum auf interaktive Elemente, daran war auch dem Kuratoren-Team gelegen. Verschiedene Sinne werden angesprochen. Man muss den Leuten etwas bieten, sie unterhalten. Sonst kommen sie nicht. Es ist gelungen. Man kommt gerne. Und wer das Vögele Kultur Zentrum wieder verlässt, stellt sich einmal mehr viele neue anregende Fragen. Michel Wassner

www.voegelekultur.ch
 
 

 

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