Vorzeige-Ref aus Buttikon

Schiedrichter Sandro Schärer beobachtet von Konditionstrainer Oliver Riedwyl. (Fotos: SFV)

Der ehemalige Buttiker Fussball-Junior Sandro Schärer (34) tritt als Spitzenschiedsrichter in die grossen Fussstapfen von Urs Meier und Massimo Busacca. In der Champions League trifft er die Grossen des Weltfussballs. Dabei hätten 22 Frauen beinahe seine Karriere verhindert.

Dienstag vor einer Woche stand Profi-Schiedsrichter Sandro Schärer im ­Mailänder Fussball-Tempel San Siro im Einsatz: Achtelfinal in der Champions-League zwischen der AC Milan und Tottenham Hotspur. Bei den Rot-Schwarzen hörte unter anderen der französische Weltmeister Olivier Giroud auf die Pfiffe des Märchlers, bei den Londonern Englands Super-Star Hary Kane. Beim 1:0-Erfolg der Italiener hatte der Schwyzer Unparteiische keine Probleme.

Auf grosse Namen traf der ehemalige Junior des FC Buttikon schon bei seiner Champions-League-Premiere Ende Oktober 2020: Bei Barcelona spielte damals Argentiniens aktueller Weltmeister Lionel Messi. Den 5:1-Sieg gegen Ferencvaros Budapest wird einer von Messis Teamkollegen wohl auch nicht vergessen: Debütant Schärer zeigte Barça-Abwehrturm Gerard Piquet, dem damaligen Lebensgefährten von Pop-Sängerin Shakira, die Rote Karte. Im September 2022 tanzte bei Celtic gegen Real Frankreichs Superstar Karim Benzema nach seiner Pfeife. Mittlerweile steht Profi-Schiedsrichter Schärer bereits bei 427 Spielen. Dabei verteilte er 1826 Gelbe Karten, 68 Gelb-Rote und schickte 44 Spieler vorzeitig mit einer Roten Karte unter die Dusche. 143 Mal zeigte Schärer in seiner bisherigen Karriere auf den Elfmeter-Punkt. Wie ist der Sportlehrer aus Buttikon ins Schiedsrichter-Geschäft gekommen?

«Talent im Schnurre»
Alles begann beim 1946 gegründeten FC Buttikon. Klein Schärer spielte bei den Junioren – und fiel vor allem durch sein lockeres Mundwerk auf. Ein ­«Talent im Schnurre» sei er gewesen, gab Schärer vor vier Jahren in der ­«Zürichsee-Zeitung» zu, «ich war ein Schwieriger, ganz schlimm». Schärers Vater regte sich am Spielfeldrand auf, denn der Junior hatte oft das Gefühl, er müsse dem Schiri helfen. Und er zeigte auf dem Feld oft, dass er mit den Entscheidungen des Unparteiischen nicht zufrieden war.

Papa Schärer hatte einen klugen Rat: «Zeig ihnen doch, dass du es besser kannst.» Mit 16 besuchte Sandro Schärer den ersten Schiedsrichter-Kurs, kickte nebenbei weiter bei den Junioren des FC Buttikon. Zum Start seiner Schiedsrichter-Karriere bekam es der heutige Vorzeige-Ref mit 22 ­Damen zu tun. In einem Drittliga-Spiel warfen sich die Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts offenbar so viele Schimpfwörter um die Ohren, dass der pubertierende Junge aus der March nicht mehr ein noch aus wusste. Die Schiedsrichter-Karriere schien zu Ende, bevor sie richtig begonnen hatte.

Doch Schärer gab nicht auf. Das nächste Spiel war auf Junioren-Stufe bei den Knaben zwischen den Zürcher Klubs Oberrieden und Seebach. Nach wenigen Minuten gab es ein einschneidendes Erlebnis. Einer der Trainer rief seinen Spielern zu: «Seid ruhig, dieser Schiri sieht alles.» Schärer startete mit der Pfeife im Mund durch. Mit 19 Jahren pfiff er bereits in der Ersten Liga, im zarten Alter von 25 stand er erstmals in einem Super-League-Spiel im Einsatz.

VAR-Schärer wiederholt Elfer
Unvergessen bleibt für Schärer auch das letzte Spiel vor der Corona-Pause. Es war am 22. Februar 2020 im St. Galler Kybunpark. Spitzenkampf zwischen St. Gallen und YB. Dank eines Treffers von St. Gallens Anführer ­Lukas Görtler in der Nachspielzeit führten die Espen in der 91. Minute mit 3:2. Schiedsrichter Alain Bieri liess noch ein paar Minuten weiterspielen. Und zeigte in der 98. Minute für YB auf den Penaltypunkt. Schärer sass damals in Volketswil ZH im VAR-Zentrum. Und überwachte die Szenen am Bildschirm als VAR (Video Assistant Referee). St. Gallens Publikumsliebling Zigi hielt den Elfmeter von YB-Mittelstürmer Guillaume Hoarau. Jetzt kam die Stunde von Schärer. Er liess seinen Referee-Kollegen Bieri den Elfmeter wiederholen. Hoarau lief nochmals an und traf in der 99. Minute zum 3:3. Nicht wenige Experten behaupteten danach, mit einem Sieg wären Ende Saison die St. Galler – und nicht YB – Meister geworden.

Weshalb liess Schärer den Penalty wiederholen? Zigi hatte die Grundlinie zu früh verlassen. Eine Regelwidrigkeit. VAR-Schärer war damals ein ­gebranntes Kind. Am Anfang der­selben Saison hatte er bei St. Gallen gegen Lugano eine gleiche Situation durchgehen lassen. Danach gab es von höchster europäischer Stelle, dem International Football Association Board, Schelte für die Schweizer.

Schärer gibt Fehler zu
Übrigens: Der Unparteiische aus der March hat kein Problem, zu seinen (wenigen) Fehlern zu stehen. Zuletzt passiert am 11. Februar nach dem Super-League-Spiel zwischen St. Gallen und Servette. Beim 5:1-Sieg der Ostschweizer liess St. Gallens Stillhart im Strafraum gegen den ­Genfer Diallo das Bein stehen. Der Servettien fiel. Schärer pfiff aber nicht Elfmeter. Und VAR-Stefan Horisberger korrigierte den Entscheid nicht. Nach dem Spiel, als Schärer die TV-Bilder gesehen hatte, entschuldigte er sich laut der «Tribune de ­Genève» bei Servettes Trainer Alain Geiger.

Urs Meier und Massimo Busacca waren einst bei EM- und WM-Endrunden die Schweizer Vorzeige-Refs. ­Busacca ist heute beim Weltfussballverband Fifa für die Ausbildung der Pfeifenmänner zuständig. Der ehemals vorlaute Junior aus Buttikon ist auf ­gutem Wege, in ihre grossen Fuss­stapfen zu treten.

Max Kern

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