Serie: «Musik vom Land» spielt auf höchstem Niveau

«Musik ist mein Leben und ich lebe für das Dirigieren», sagt Blaise Héritier. (Foto: zVg)

Blaise Héritier übernahm das Blasorchester Siebnen (BOS) 2011 vom langjährigen Dirigenten Tony Kurmann († 2022). Seit mehr als 12 Jahren pendelt der Dirigent ein- bis zweimal die Woche von Delémont nach Siebnen.

Blaise Héritier wurde 1962 in Moudon (VD) geboren. Er studierte Direktion am Konservatorium in Lausanne, wo er das Berufsdiplom für die Leitung von Brass Bands und Blasorchestern erhielt. Anschliessend schloss er seine Ausbildung mit dem höheren Diplom für Orchestration ab. Derzeit leitet er das Blasorchester Siebnen, das in der Höchstklasse spielt und mit dem er 2016 Schweizermeister wurde. Im gleichen Jahr wurde er mit dem höchsten Preis der Schweizer Blasmusikszene, dem Stephan-Jaeggi-Preis, geehrt.

ON: Sie wohnen und arbeiten in Delémont. Wie kommt man dazu, sich auf eine Dirigentenstelle in Siebnen zu bewerben?
Blaise Héritier: (Lacht) Die Antwort ist relativ einfach. Es gibt etwa 18 Höchstklassblasorchester in der Schweiz. Zwei davon sind im Tessin, bleiben noch 16 übrig. Die meisten dieser 16 Orchester formieren sich ausschliesslich für Wettbewerbe und arbeiten selbst für Konzerte mit bis zu 40 Aushilfen. Ich kannte das Blasorchester Siebnen als eines der Toporchester mit einer Vereinskultur. Die Stelle wurde ausgeschrieben und ich wollte unbedingt diese Herausforderung annehmen und bewarb mich. Zudem interessiert mich immer, mit super Musikern zusammenzuarbeiten. Als Dirigent fragt man sich: Was will ich noch erreichen?

«Mein Auto ist mein Denk- und Esszimmer.»

Wie sieht ein Arbeitstag aus, wenn Sie in Siebnen proben?
Mein Tag startet mit Büroarbeiten als Direktor des Musikkonservatoriums des Kanton Jura. Dort arbeite ich in einem 80-Prozent-Pensum, den Rest der Zeit arbeite ich an meinen eigenen Projekten als Dirigent. Derzeit leite ich neben dem Blasorchester Siebnen den symphonischen Chor Evoca mit circa 100 Sängern aus den Kantonen Waadt und Jura sowie das Blaise Héritier Orchester. Den Chor habe ich schon vor 20 Jahren gegründet, das Blaise Héritier Orchester im vergangenen Jahr. Für beide Ensembles mache ich auch die Projektarbeiten. Und dann kommt die musikalische Vorbereitung – Auswahl der Stücke, einarbeiten in Partituren und vorbereiten der verschiedenen Proben. Zwischen 16:30 und 17:30 Uhr beginnt meine Fahrt nach Siebnen, welche circa zwei Stunden dauert. Aber ich nutze die Zeit zum Überlegen, was ich noch alles machen möchte.

Und was ist mit Essen?
Ah – mein Auto ist mein Denk- und Esszimmer. Von 19 beziehungsweise 20 Uhr bis 22 Uhr ist entweder Register- oder Gesamtprobe. Anschliessend fahre ich nach Hause und habe erneut genügend Zeit, das Erlebte zu verarbeiten. Das ist ein Privileg: Wer hat heute noch 4 Stunden Zeit für sich (lacht). Zu Hause angekommen, gehe ich in mein Büro und bringe meine Gedanken zu Papier. Dann gehe ich schlafen – aber ich brauche nicht acht Stunden Schlaf.

Was motiviert Sie, ein- bis zweimal die Woche von Delémont nach Siebnen zu fahren? 
Musik ist mein Leben und ich lebe für das Dirigieren. Wenn ich mich motivieren müsste, dann müsste ich meinen Job als Dirigent aufgeben.

Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Blasorchester Siebnen?
Das Ziel ist seit Anfang an immer dasselbe – perfekt Musik zu machen. Ein gemeinsames Ziel zu haben, Teamgeist zu entwickeln, ist eine Voraussetzung für ein perfektes Konzert. Das spüre ich beim BOS.

Ist ein Amateurorchester überhaupt in der Lage, perfekt zu spielen?
Ein Profiorchester kann und muss ein fehlerfreies Konzert abliefern. Die Stärke des BOS ist es zusätzlich eine Einheit zu bilden. Es braucht Ausdruck, Emotionen und es braucht Pfeffer und Tabasco, um ein Konzerterlebnis zu generieren (lacht). Das ist viel wichtiger als nur fehlerfrei zu spielen.

Das BOS hat 2018 einem spanischen Komponisten eine Komposition in Auftrag gegeben. Wie ist diese Zusammenarbeit entstanden?
Am Eidgenössichen Musikfest in Montreux 2016 haben wir das Stück «El Jardin de las Hésperides» von José Suñer-Oriola aufgeführt. Es ist ein wunderbares Werk und wir haben mit diesem «BOS-Spirit» musiziert. An dieser Aufführung war ein Freund des Komponisten anwesend und er war so begeistert, dass er José gleich eine SMS geschrieben hat: «Du musst Dir unbedingt dieses Orchester anhören und mit dem Dirigenten Kontakt aufnehmen». Es ging nicht lange und wir haben uns in Barcelona getroffen. Er hat mir die Stadt gezeigt und wir haben zusammen über Musik gesprochen. Ich habe ihn gefragt, ob er schon mal was über die Kathedrale Sagrada Familia von Antoni Gaudí komponiert hat. Das war die initiale Zündung für unsere erste gemeinsame Auftragskomposition mit dem Namen «Soulful Stones», welche verschiedene Bauwerke des Stararchitekten in Barcelona beschreibt.

«Er war begeistert von der Natur und vom Kloster Einsiedeln.»

Eine zweite Komposition ist entstanden – «Einsiedeln’s Trees».
José ist zur Uraufführung von «Soulful Stones» nach Siebnen gekommen und ich habe ihm die Gegend gezeigt. Er war begeistert von der Natur und vom Kloster Einsiedeln. Wir haben zugleich über ein neues Werk für das Blasorchester Siebnen gesprochen. Ich glaube, es ist die Aufgabe eines Höchstklassorchesters, solche Projekte zu initiieren und umzusetzen.

Herzlichen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen und dem Blasorchester Siebnen viel Erfolg für die Europameisterschaft vom 7. Mai in französischen Amiens.

Armin Müller

www.jubilaeum2023.ch
www.blasorchester.ch

 

Hintergrund
«Einsiedeln’s Trees» ist dem Blasorchester Siebnen gewidmet und zeigt eine grosse Verbundenheit zwischen dem Komponisten José Suñer-Oriola und dem Dirigenten Blaise Héritier. Am 23. April um 11 Uhr wird das BOS «Einsiedeln’s Trees» in einem Vorbereitungskonzert zur EM im Tischmacherhof in Galgenen aufführen. Zudem feiert das Blasorchester zusammen mit der Jugendmusik Siebnen am 10. Juni am selben Ort ihr 125- beziehungsweise 75-Jahr-Jubiläum.

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