Die Lebensqualität ist gestiegen

Über den Brendi-Kreisel wird Wattwil von drei Seiten erschlossen oder umfahren. Aus dem Tunnel (l.) Richtung Ricken, über den Kreisel Richtung Obertoggenburg, ins Zentrum von Wattwil. (Foto: Sven Gasser)

Wie erleben Gemeinden mit bereits realisierten Umfahrungen die Situation? Seit genau einem Jahr wird die Toggenburger Gemeinde Wattwil komplett umfahren – ein Augenschein vor Ort.

2011 konnten sich die Wattwiler über das «Nein zum Tunnel» in Rapperswil-Jona freuen, denn die Toggenburger waren die Nutzniesser. Die Umfahrung Wattwil rückte im Strassenbau-Programm nach vorne und konnte im September 2022 dem Verkehr übergeben werden. Seither durchfährt man von Nesslau bis Wil kein einziges Dorf mehr, alle können umfahren werden.

Mit Rapperswil-Jona vergleichbar
Wattwil hat in diversen Versorgungsbereichen eine Zentrumsfunktion im Obertoggenburg und ist ein gut frequentierter Verkehrsknotenpunkt zwischen Linthgebiet, Toggenburg und St.Gallen, sowohl auf der Strasse wie auch auf der Schiene. Weiter ist die Gemeinde mit der Kantons- und der Gewerbeschule ein wichtiger Schulstandort mit hunderten von Schülern. Auch Rapperswil-Jona ist ein Verkehrsknoten, der von drei Seiten erschlossen ist und über kantonale Schulen verfügt. Nur die Situation für das Bauwerk kann nicht miteinander verglichen werden. Konnte Wattwil seine beiden Umfahrungen – die Achse Wil – Ricken ist schon seit Jahren in Betrieb – komplett ausserhalb des Dorfes realisieren, ist das in Rapperswil-Jona nicht möglich. Hier wird man sich mit mühsamem Baugrund und Tagbaustellen mitten im Siedlungsgebiet rumschlagen müssen, eine bautechnische wie auch finanzielle Mammutaufgabe.

Gemeindepräsident ist zufrieden
Die «Obersee Nachrichten» wollten von Alois Gunzenreiner, Gemeindepräsident von Wattwil, wissen, welches Fazit er nach einem Jahr Umfahrung zieht: «Es ist erfreulich und positiv. Mit der neuen Umfahrungsstrasse hat sich das Verkehrsaufkommen im Dorf markant verringert und das ist für die Bevölkerung an den belasteten Strassen ein grosser Gewinn. Dadurch sind in den Quartieren die Sicherheit sowie die Aufenthalts- und Wohnqualität weiter angestiegen.». Zwar lägen noch keine konkreten Zahlen und Vergleiche zum Vorhin vor, aber die Entlastung sei deutlich spürbar – weniger hektisch und ruhiger. Auf die Frage, ob das Zentrum aufgewertet werden konnte, antwortet Gunzenreiner, dass dafür die Umfahrung Voraussetzung gewesen sei. Die Gemeinde habe bereits vor der Eröffnung eine Strassenraumgestaltung im Zentrum realisiert. Die Bahnhof- und die Poststrasse wurden verschmälert, die Parkierung sicherer angelegt, Bäume gepflanzt, Gehwege verbreitert und Plätze gestaltet. Mit diesen Massnahmen konnte eine Verkehrsberuhigung erreicht und die Sicherheit für den Langsamverkehr erhöht werden. Das Zentrum von Wattwil sei nun angenehmer zum Einkaufen und Verweilen.

Was meint das Gewerbe?
Ob das Gewerbe zu den Gewinnern oder Verlierern gehört, wollten die «Obersee Nachrichten» von Gregor Menzi, Mitinhaber von zwei Wattwiler Cafés mit Bäckerei und Konditorei wissen. Am Anfang seien die Auswirkungen rechts gross gewesen, die  Gästezahlen massiv zurückgegangen. Nach ein paar Monaten habe sich dies jedoch wieder eingependelt. Für die gestiegene Lebensqualität sei die Umfahrung auf jeden Fall ein Gewinn und durch die neue Zentrumsgestaltung habe eine qualitative Aufwertung stattgefunden. Menzi ist deshalb zuversichtlich, dass in wenigen Monaten, dank der gewonnenen Attraktivität,  wieder das ursprüngliche Niveau erreicht wird. Viel problematischer für das Gewerbe sei gewesen, dass im Jahr 2019 zuerst die Abwasserkanäle saniert wurden und dann 2021 und 2022 das Zentrum. Die Erreichbarkeit der Geschäfte war – zudem in Coronazeiten – schlecht, da nur im Einbahnverkehr erreichbar.

Auch Gemeindepräsident Gunzenreiner sind keine negativen Auswirkungen auf das Gewerbe bekannt. Vielmehr biete das neue Verkehrsregime nun viel Entwicklungspotential. Er sieht dies auch als gelungenes Resultat, habe man sich doch frühzeitig mit Bevölkerung und Gewerbe ausgetauscht. 

Situation Rapperswil-Jona
In der Stadt Rapperswil-Jona sieht das Gesamtverkehrskonzept drei Szenarien vor. Mit einer Tunnellösung ist das Potential zu einer nachhaltigen Zentrumsentwicklung sicher am grössten, auch wenn die Stadt bezüglich Emissionen während der gesamten Bauzeit im Zentrum stark belastet sein wird. Dies im Gegensatz zu Wattwil.

Sven Gasser

«Die Umfahrungsstrasse hat den Verkehr im Dorf markant verringert – das ist ein grosser Gewinn.»
Alois Gunzenreiner, Gemeindepräsident Wattwil

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