Ökologischer Verlust sorgt für Unmut

Aufwändige Fällaktion von zwei Bergmammutbäumen an der Oberseestrasse in Rapperswil. (Foto: zVg/Roman Specker)

Die aufwändige Fällung von zwei Baumriesen an der Oberseestrasse in Rapperswil sorgt für Kopfschütteln und Unverständnis.

Schon Anfang letzter Woche machte auf Facebook die Nachricht die Runde, dass an der Oberseestrasse in Rapperswil zwei riesengrosse Bäume gefällt werden sollen. Am Donnerstagmorgen war es soweit. Holzfällspezialisten teilen die Stämme mithilfe eines Pneukrans in transportierbare Teile, welche zum Abtransport bereit gemacht werden.

Fällaktion am frühen Morgen
Roman Specker ist um 7.45 Uhr auf dem Weg zu seiner Praxis an der Oberseestrasse. Da sieht er, wie auf der Liegenschaft Oberseestrasse 21 einer der beiden grossen Nadelbäume bereits gefällt ist und die Arbeiten am zweiten Baum ausgeführt werden. Es handelt sich nicht einfach um Tannenbäume, sondern um Mammutbäume, einer aus Amerika stammenden Spezies. Roman Specker erfährt von einem an der Fällaktion Beteiligten, dass die Entfernung der Bäume wegen einer Baugrube notwendig sei. Die Bäume wären sturzgefährdet oder müssten nach weiterem Wachstum irgendwann sowieso gefällt werden. Wie Roman Specker erfährt, liege der Bauherrschaft eine Bewilligung der Stadt vor.

«Es tut mir in der Seele weh, dass die Bäume weichen mussten.»

Dass Bäume in der Stadt Rapperswil-Jona keine Stimme und keinen Stellenwert haben, missfällt Roman Specker. Dieses traurige Beispiel enttäusche ihn sehr. Die alten Bäume hätten einen hohen ökologischen Wert, zum Beispiel im Binden von CO2. Bäume brauchen einige Jahre und eine gewisse Grösse, bis sie CO2 effektiv binden können. Weiter sei es eine Tragödie für die vielen Tiere, wie Vögel, Eichhörnchen und Insekten, denen die gewaltigen Bäume als Schutz, Nest- und Futterplatz gedient hätten.

Sogar die Polizei vor Ort
Katharina Thalmann, Studentin in Landschaftsarchitektur an der OST, war mit ihrem Kurs ebenfalls Zeuge der Aktion. Wie sie mitteilt, hatte ihr Professor für Pflanzenverwendung, Mark Krieger, beim Einfahren der S-Bahn in den Bahnhof Rapperswil die Fällaktion beobachtet und nach dem Eintreffen am Campus die Studierenden und Dozenten animiert, mitzukommen. Diesem Aufruf folgten dann etwa 30 Personen. Aufgrund dessen sei sogar die Polizei verständigt worden, welche mit vier Personen anrückte. Polizeisprecher Pascal Häderli bestätigt auf Anfrage den kurzen Einsatz, bei dem eine friedliche Situation festgestellt worden sei. Nachdem sich vor Ort die Aufregung etwas gelegt habe, noch vor Eintreffen der Polizei, konnte Katharina Thalmann zusammen mit einer Mitstudentin mit den ausführenden Personen sprechen, die ja eigentlich nur ihren Job machen würden. Zuerst seien sie als «Kindergarten» bezeichnet worden, nachdem jedoch klar war, dass sie als angehende Landschaftsarchitektinnen sehr wohl über Fachwissen verfügen, sei ein vernünftiges Gespräch möglich geworden. Thalmann ist sich bewusst, dass ihre Enttäuschung und Verzweiflung bei den Ausführenden nicht an der massgebenden Stelle deponiert wurde. Und ist gleichzeitig enttäuscht, dass in der Stadt Rapperswil-Jona nicht mehr Sensibilität gegenüber solchen Aktionen und deren Folgen vorhanden ist. Für sie als Landschaftsarchitektin, und auch als Einwohnerin der Region, ist es unverständlich, dass in der aktuellen Klimasituation von Ämtern erlaubt wird, solch grosse und etablierte Bäume zu eliminieren. Gerade im Siedlungsgebiet sei es dringend nötig, jede Möglichkeit zur Milderung von Hitze zu bewahren und zu fördern. Bäume seien nicht nur die günstigste, sondern auch die effizienteste Klimaanlage, die es gibt, so Thalmann.

Der Bergmammutbaum
Auf Anfrage der «Obersee Nachrichten» bei Baumpfleger Heinrich Roth, Stein SG, handelt es sich bei den gefällten Bäumen um Bergmammutbäume. Gemäss den auf den Fotos sichtbaren Jahrringen dürften die beiden Bäume etwas über 50 Jahre alt sein (was mit der geschichtlichen Entwicklung des Südquartiers in etwa hinkommt). Diese Art von Bäumen sind als Exoten im Kanton St. Gallen nicht mal so selten wie man meinen würde. Roth verweist auf die Geschichte: Vor circa 170 Jahren hätten vermögende Textilindustrielle den Mammutbaum von Amerika in die Schweiz gebracht und angepflanzt. Aus diesem Grund habe es um St. Gallen viele alte Mammutbäume, welche jedoch auch mehrheitlich unter Schutz stehen würden. Stünden solche Bäume jedoch nicht unter Schutz, wie jene in Rapperswil, ist es Sache der Behörden, welche die Baubewilligung erteilt. Wie die Stadt auf Anfrage mitteilt, waren die beiden Bäume nicht geschützt, respektive nicht in der Schutzverordnung aufgeführt. Somit liegt es in der Verantwortung des Eigentümers, ob die Bäume erhalten werden oder weichen müssen.

Sven Gasser

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