Der doppelte Gemeinde-Diener

Der stv. Gemeindeschreiber an seinem Arbeitsort Dürnten. (Foto: zVg)

Wenn Carlo Wiedmer sich am Morgen in Grüningen zur Arbeit aufmacht, geht der Gemeindepräsident. Wenn er zehn Minuten später in Dürnten sein Büro im alten Gemeindehaus betritt, macht er dies als stellvertretender Gemeindeschreiber.

Carlo Wiedmer (50), der doppelte Gemeindediener. Mit dem Auto braucht er zehn Minuten für den Arbeitsweg zwischen den beiden Gemeinden, im Sommer mit dem E-Bike oder dem Rennvelo eine Viertelstunde.

Der Kanton Zürich bietet Ausnahmepolitikern wie Wiedmer Hand. Bei seiner 100-Prozent-Stelle als stv. Gemeindeschreiber am Fusse des Bachtels wird ihm 10 Prozent für die Ausübung seines Amtes als Gemeindepräsident «geschenkt». «Das erleichtert vieles», sagt Wiedmer in einem Sitzungszimmer im über 200 Jahre alten und aus den Nähten platzenden Gemeindehaus in Dürnten zu den «Obersee Nachrichten», «aber das reicht noch lange nicht.»

Wochenenden sind für Kinder frei
Pro Woche hat er dank seines Doppelmandats («das Gemeindepräsidium ist ein Milizamt») Arbeitspensen von 130 bis 140 Prozent. Wiedmer: «Das ist saisonal bedingt. Juni und September sind die intensivsten Monate, da wollen alle ihre Sitzungen abhalten.» Vergangene Woche sei jeder Abend verplant gewesen, erzählt Wiedmer. Was sagt da eine Ehepartnerin dazu? (Wohl) nicht mehr viel, Wiedmer ist geschieden. Die 14- und 16-jährigen Kinder leben in Chur. «Die Wochenenden halte ich für die Kinder frei. Wir machen viel Sport, ich renne, sie machen Langlauf. Kürzlich lief der Ältere am Engadiner den Halbmarathon.» Wiedmer ist als aktiver Turner auch viel in der Turnhalle anzutreffen. «In meiner Freizeit unternehme ich gerne Bike- oder Rennvelotouren durch das Zürcher Oberland.»

Wiedmer, der in Grüningen aufgewachsen ist, machte eine Lehre als Vermessungszeichner in Wetzikon, später kümmerte er sich in einem Ingenieurbüro um baupolizeiliche Aufgaben. Vor 16 Jahren übernahm er die freie Stelle als Bausekretär in der Gemeinde Bubikon. Jetzt sind mit Grüningen und Dürnten zwei andere Oberländer Gemeinde seine Arbeitgeber.

Hilfe für den Polit-Laien
In Dürnten ist der doppelte Gemeindediener Wiedmer als stv. Gemeindeschreiber auch Abteilungsleiter Präsidiales, zuständig für die Wahlen und Abstimmungen. «Daneben betreue ich viele Projekte.» Etwa die Gemeinde-Homepage, den Neubau des Gemeindehauses in Tann, die Fernwärme, die IT oder den Bereich Personelles.

Und als Gemeindepräsident (in seiner bereits zweiten Legislaturperiode) profitiert er (und damit auch die gesamte Gemeinde) von seinem Rucksack als stv. Gemeindeschreiber. Wiedmer: «Wir können extrem Synergien nutzen. Es ist für beide Seiten eine absolute Win-win-Situation. Wir können extrem profitieren voneinander.» Wiedmer führt aus: «Wenn zum Beispiel ein Werkzeugmacher in den Gemeinderat gewählt wird und das Hochbauamt bekommt, dann braucht er mindestens zwei Jahre, bis er wirklich im Amt drin ist und alle Abläufe und Gesetze kennt.» Da steht der doppelte Gemeindediener dem Polit-Laien natürlich gerne mit Rat und Tat zur Seite. «Ich kenne jedes Gesetz, weiss, wie die Gemeindeversammlung funktioniert, ich mache die Protokolle, kenne die Rechtsfragen. Dazu kann ich bei Schreibarbeiten helfen.» Einzigartig wie Wiedmers Doppelmandat ist auch die Parteienlandschaft seiner beiden Arbeitgeber. In Grüningen ist Wiedmer im siebenköpfigen Gemeinderat einer von vier SVP-Vertetrern. Wenn er in Dürnten seinen Dienst antritt, betritt er eine SVP-freie Zone. «Wir haben keine Linken hier», betont der SVP-Mann sogleich. «Aber in einer Exekutivbehörde interessiert es im Gegensatz zum Parlament keinen am Tisch, in welcher Partei du bist. Da geht’s nur um Sachpolitik.»

Nein zur Schlackendeponie
In Grüningen kämpft der Gemeindepräsident gegen die geplante Schlackendeponie im Tägernauer Holz. «Wir haben nur einen grossen Wald als Naherholungsgebiet. Der würde für die Deponie abgeholzt.»

Max Kern

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