Mit historischen Karten in die Vergangenheit reisen

Die Vorlagen zur Wildkarte aus der Zeit um 1850 zeigen den dörflichen Charakter der Umgebung von Wetzikon. (Foto: zVg)

Über 15 000 historische Landkarten aus dem Staatsarchiv und der Zentralbibliothek können neu im GIS-Browser des Kantons Zürich betrachtet werden. Dutzende Freiwillige haben geholfen, die alten Karten genau zu verorten und in Relevanz zu zeitgemässen Karten zu setzen.

Crowdsourcing und Citizen Science sind in aller Munde. Dank solcher Mitmachprojekte können viele aufwendige Aufgaben innert kurzer Frist erledigt werden. Wichtig ist, dass sich genügend Freiwillige finden, die gemeinsam grosse Mengen an Daten verarbeiten. Auf dieses Konzept setzen auch das Staatsarchiv des Kantons Zürich und die Zentralbibliothek Zürich. In den vergangenen drei Jahren haben beide Institutionen Teile ihrer umfangreichen Sammlungen der Öffentlichkeit vorgelegt, damit interessierte Helfer die alten Landkarten georeferenzieren. Das bedeutet, markante Punkte auf den historischen Karten zu identifizieren und sie mit aktuell gültigen Koordinaten zu versehen, sodass man sie virtuell auf die heutige Weltkarte legen und mit dieser vergleichen kann.

Der stellvertretende Abteilungsleiter Nacherschliessung und Digitalisierung und Projektleiter Crowdsourcing Georeferenzierung, Rainer Hugener ergänzt gegenüber den «Obersee Nachrichten» die Ziele des Projekts: «Angesprochen war die gesamte Öffentlichkeit beziehungsweise alle, die Freude an historischen Karten sowie Interesse am Kanton Zürich und seiner Geografie oder Geschichte haben. Faktisch haben sich vor allem Pensionierte beteiligt und fast nur Männer», so Hugener weiter. «Auch aus anderen Crowdsourcing-Projekten ist diese demografische Gruppe als besonders aktiv bekannt. Für uns war es schön zu sehen, dass diese Leute bereit waren, ihre Freizeit für unser Projekt einzusetzen.»

Wenig besiedelter Bezirk Hinwil
«Für mich war es immer wieder überraschend zu sehen, wie wenig besiedelt der Kanton Zürich noch vor 150 Jahren war.» Ab dem späten 19. Jahrhundert erfolgte dann ein enormes Wachstum der Siedlungs- und vor allem auch der Industrieflächen, was sich gut auf den Karten nachvollziehen lasse. Viele dieser Pläne dokumentieren die grossen und kleinen Infrastrukturprojekte zum Bau neuer Strassen und Brücken sowie zur Begradigung von Flüssen und zur Entwässerung von Sumpfgebieten, welche diesen Zuwachs überhaupt ermöglicht hätten. «Gerade im Zürcher Oberland sieht man, wie die einst verstreuten Dörfer zu einer einzigen Siedlungslandschaft zusammengewachsen sind. Wenn ich heute mit dem Velo durch den Kanton Zürich fahre, sehe ich die Landschaft mit anderen Augen», resümiert Hugener das Projekt. «Überall versuche ich mir anhand unserer historischen Karten vorzustellen, wie es hier vor dieser Wachstumsphase ausgesehen hat.» Dank der Hilfe konnten rund 16 000 historische Karten zum Zürcher Gebiet aus dem 16. bis 20. Jahrhundert verortet werden. Über 15 000 davon stammen aus dem Staatsarchiv, weitere 900 aus der Zentralbibliothek. Darunter befinden sich international viel beachtete Schätze der Kartografie, wie die Werke von Jos Murer aus dem 16., von Hans Conrad Gyger aus dem 17. und von Johannes Wild aus dem 19. Jahrhundert, aber auch diverse Detailpläne von historischen Bauwerken, Kirchen, Spitälern, Schul- und Pfarrhäusern, Brücken, Strassen und Wasserwegen. Im Vergleich mit der heutigen Karte wird ersichtlich, wie sich nicht nur die Siedlungsgebiete, sondern auch Naturräume über die vergangenen Jahrhunderte gewandelt haben. Besonders deutlich zeigt sich dies etwa bei den vielen detailliert dokumentierten Flusskorrektionen von Limmat, Thur oder Töss.

Einzigartige Kartensammlung
Die meisten Kantone verfügen mittlerweile über ein Geoportal oder einen GIS-Browser mit interaktiven Karten, auf welchen der Öffentlichkeit die verschiedensten Geodaten und Geodienste gratis zur Verfügung gestellt werden. Dass nun für den Kanton Zürich auch rund 16 000 historische Karten aus den vergangenen vier Jahrhunderten präsentieren werden, ist hingegen schweizweit einzigartig. Möglich wurde dies durch die enge Zusammenarbeit zwischen dem Staatsarchiv, der Zentralbibliothek und dem Amt für Raumentwicklung, welches den GIS-Browser betreibt. Das Kartenmaterial ist unter www.gis.zh.ch einzusehen.

Thomas Hulliger

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