In einer Sackgasse in Siebnen liegt das wohl kleinste Reissverschluss-Atelier der Welt. Luise Bisig (68) repariert in ihrem nur 1,80 x 2,50 m grossen Laden Zippverschlüsse auch aus Übersee.
Lindenhof 33 in Siebnen, das letzte Gebäude einer ruhigen Reihenhaussiedlung. Man erreicht die Liegenschaft vom Parkplatz her nur zu Fuss. «Eine Kundin kam mal mit einem ganzen Mottenschrank», sagt Luise Bisig (68) beim Besuch der «Obersee Nachrichten» schmunzelnd. Seit dem 1. Mai 2010 führt Bisig im Entrée ihres Einfamilienhauses das winzige Reissverschluss-Atelier. Das Gartentörchen, ein von Hobbybastlerin Bisig selbst gefertigter Reissverschluss aus Holz, zeigt den Weg zum Haus. Nachdem die Haustüre offen steht, schiebt die Ladenbesitzerin ein Holzbrett durch den Türrahmen, fertig ist das Atelier. 1,80 auf 2,50 Meter Ladenfläche. «Einer, wenn nicht der kleinste Laden der Schweiz», sagt Betreiberin Bisig, «vor allem mit so vielen Teilen». Allein 13 000 Schieber warten auf defekte Reissverschlüsse.
Kunden aus der ganzen Welt
Für Reissverschluss-Laien: Ein Reissverschluss ist laut Wikipedia «ein einfach zu öffnendes Verschlussmittel für diverse Textilien, Schuhe oder Taschen. Er besteht aus zwei Seitenteilen mit Krampen (kleinen Zähnen) und einem Schieber, mit dem die Krampen ineinander verhakt und wieder gelöst werden können». Und, wer kennt es nicht: Früher oder später gibt es oft Reissverschluss-Verdruss. Ein Reissverschluss ist verklemmt, verklebt oder blockiert. Da hilft Luise Bisig bestimmt. «Schon als kleines Mädchen konnte ich endlos an Reissverschlüssen rumnesteln. Stundenlang habe ich mit einem Zängli die Zähnli gerichtet. Und wenn meine Mutter Lampenschirme genäht hat, dann habe ich mit den Stoffresten Kleider für Bärli genäht. Es ist heute noch so: Wenn ich bastle und etwas kreieren kann, dann bin ich glücklich.» Jeweils am Donnerstagnachmittag hat das Reissverschluss-Atelier in Siebnen offen. Im nur 4,5 m² grossen Laden springt dem Besucher gleich die antike Kasse ins Auge. «Der Hammer, die habe ich mir erschaffen.» Bei einer Hausräumung entdeckte Bisig das Schmuckstück. Nur wenig mehr als 100 Franken soll sie gekostet haben. Luise Bisig flickt die defekten Reissverschlüsse fast im Akkord. Und zu einem Spottpreis. «Seit zehn Jahren kostet es acht Franken fünfzig. Man wird dabei nicht reich, aber reich im Herzen.» Die Kunden kommen aus der ganzen Welt. «Aus New York, aus dem Schwarzwald. Und eine aus Thailand. Die sammelt im Sommer alle defekten Reissverschlüsse bei Bekannten ein und bringt sie mir dann in die Schweiz.» Auch eine Handtasche aus Sizilien landete per Post im Reissverschluss-Atelier in Siebnen. Frau Bisig reparierte auch diesen Fall, schickte die Tasche darauf der Tochter der Absenderin ins Bünderland. Schweizweit wurde die «Zahnärztin der besonderen Art» (so eine Schlagzeile im «Migros Magazin») vor neun Jahren bekannt. TV-Moderator Kurt Aeschbacher lud sie in seine gleichnamige Sendung ein. Das handgeschriebene Dankesschreiben der Fernsehlegende hängt heute noch gleich oberhalb der antiken Kasse im Miniladen im Lindenhof 33.
13 Enkelkinder
Falls Luise Bisig im Reissverschluss-Atelier mal die Arbeit ausgehen sollte, langweilig wird es ihr mit Bestimmtheit nicht. Mit ihrem Mann Martin Bisig, sie heirateten am 11.11.11, erfreut sie sich an 13 Enkelkindern. Und zurzeit hilft sie ihrem Gatten, Greenkeeper im Golfpark Zürichsee, in den Obstplantagen. Kirschernte ist angesagt. «180 Kilo pro Tag. Ich bin bis elf Stunden täglich unter dem Baum.»
Max Kern