Corona statt Medaillen im Gepäck

Sandra Stöckli freut sich über Silber im Weltcup in den USA. (Foto: zVg)

An der WM in Schottland stolperte sie über ihre schweizerische Fairness, an der EM kurz darauf in Holland fuhr die Handbikerin Sandra Stöckli (37) trotz Rekord am Podest vorbei. Noch bitterer: Statt Medaillen hatte sie auf der Heimreise Corona im Koffer.

Auf der Rückreise von der EM in Rotterdam hatte Paracycling-Profi Sandra Stöckli (sie flog mit Maske) einen klaren Wunsch: ein Bad im Zürichsee. «Ich fliege am Montag nach Hause und nehme mir eine kurze Auszeit», schrieb sie auf www.sandrastoeckli.ch. Trotz 35 Grad wurde nichts mit dem Bad im kühlenden Nass. Stöckli lag nach der Rückkehr über eine Woche wegen Corona flach. Gut möglich, dass sie sich in Holland mit dem Virus angesteckt hat. Zu den «Obersee Nachrichten» sagte die Jonerin: «Ich war ziemlich flach gelegen. So krank war ich noch nicht oft im Leben. Es ist einiges zusammen­gekommen: Der sportliche Druck hat nachgelassen, die Erschöpfung, der ‹Dreckskäfer›, da ist einiges auf mein System eingeprasselt.» Ob sie der «Dreckskäfer» schon am Sonntag, 20. August, beim Strassenrennen in Rotterdam gebremst hatte, wird schwer zu klären sein. «Da müsste man einen Mediziner fragen. Ich kam am Montag nach Hause, am Dienstag hatte ich die ersten Symptome, am Mittwoch kam ich nicht mehr aus dem Bett. Es kann durchaus sein, dass ich schon im Rennen infiziert war.»

Zwei Tage vor dem Strassenrennen verpasste Stöckli das Podest haarscharf, fuhr im Zeitfahren auf Platz 4. «Ich hatte extrem Power und es war eines meiner besten Rennen im Zeitfahren, wenn nicht sogar das beste.» Beim Strassenrennen am 20. August lag sie nach dem Start gar in Front. Doch die Konkurrenz holte sie ein. Und nach einer Kurvenpassage konnte sie das Loch vor ihr nicht mehr zufahren. «Eigentlich hätte ich auch aufgeben können, doch ich habe bis am Schluss gekämpft.» Und sie stellte gar (trotz Corona?) einen persönlichen Rekord auf. «Ich fuhr so viel Watt wie noch nie an einem Strassenrennen.» Wie viele Watt? Stöckli wills nicht verraten. Aus ihrem Tempo macht sie aber kein Geheimnis: «Im Schnitt fuhr ich im Strassenrennen 32 Stundenkilometer.»

Unfall an der Sprossenwand
Bei der WM in Schottland Anfang August verpasste Stöckli im Strassenrennen eine Medaille, «da ich mich ­typisch schweizerisch an die Regeln gehalten habe.» Was war passiert? Stöckli fuhr als Leaderin einer Gruppe, die um Rang 3 kämpfte. Schon ein Jahr zuvor hatte sie an der WM zweimal Bronze geholt. Gegen Ende der ersten Runde sah Stöckli im Rückspiegel eine schnelle Gruppe einer anderen Kategorie, die später gestartet war, immer näher kommen. Als Stöcklis Gruppe überholte wurde, fuhren ihre direkten Konkurrentinnen in den Windschatten der schnellen Gruppe und zogen davon. Stöckli: «Ich weiss, dass Windschattenfahren bei einer später gestarteten Gruppe gemässe Reglement verboten ist. Deshalb hielt ich mich typisch schweizerisch an die Regeln und haftete mich nicht an sie.» Die Rennleitung reagierte nicht auf den Regelverstoss. Stöckli verlor den Anschluss und landete auf Rang 7. Sie sagte nach Rennschluss: «Dafür bin ich nicht nach Schottland gekommen.» Weshalb sitzt sie überhaupt querschnittsgelähmt in einem Rollstuhl? Sie fiel mit 15 Jahren von einer Sprossenwand. «Es hatte keine Matte unter der Sprossenwand. Und ich fiel sehr blöd. Man kann sich nicht vorstellen, welch dumme Unfälle zu Querschnittslähmungen führen.»

Noch lange nicht Schluss
Stöckli ist seit 2016 Vollprofi, kümmert sich neben dem Training auch um ­Marketing und Management. Stöckli: «Das ist ein Fulltime-Job mit mehr als einem 100-Prozent-Pensum.» Obwohl 37 Jahre alt, hört Stöckli die biologische Uhr noch nicht ticken. «Wenn man die Startliste an der WM anschaut, waren mehrere Athletinnen über 40, die holländische Serien-Weltmeisterin Jennette Jansen ist gar 55. Wir üben einen klassischen Ausdauersport aus, da ist der Verschleiss ganz anders als bei Kunstturnerinnen. Sprinterqualitäten sind vor allem bei Schlusssprints trotzdem sehr wichtig. Wie am Weltcup im amerikanischen Huntsville, als ich in einem packenden Schlusssprint die Silbermedaille gewann. In diesem Rennen schlug ich sogar die Serien-Weltmeisterin.» Im nächsten Jahr warten zwei Grossanlässe auf Sandra Stöckli: Olympische Spiele in Paris und die WM in Zürich.

Max Kern

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