Rock-Oma (76) heizt die Bühne ein

Jill Schmid ist am Schlagzeug in ihrem Element. (Foto: Max Kern)

Ihre Altersgenossinnen sitzen im Altersheim und «lismen» Socken für ihre Enkelkinder. Ilse, genannt Jill, Schmid (76) ist aus anderem Holz geschnitzt: Die Zürcher Oberländer Grossmutter bearbeitet in der Blues-Band RBB das Schlagzeug. 

Die drei Buchstaben RBB standen früher für Retired Blues Band, heute für RockBluesBand. Was immer gleich geblieben ist: Das Schlagzeug bearbeitet zweihändig und mit beiden Füssen Jill Schmid, 76-jährige Powerfrau und Grossmutter des 18-jährigen Marwin. Seit 1982 sitzt sie hinter den Basstrommeln, Tom Toms, Floor Tomes und Snares. Mit 14 schnitzte sie ihre ersten Schlagzeug-Sticks. Zu den «Obersee Nachrichten» sagt die rüstige Rentnerin: «Das Schlagzeugspielen war schon als Kind tief in mir drin, ich habe auf allem ‘rumgebängelt’.» Nur: Ihr Talent wurde damals nicht gefördert. In der Schule gab es keinen Musikunterricht. Privatunterricht konnten sich die Schmids nicht leisten. «Wir waren sechs Kinder.»

Idole: King Elvis und Peter Kraus
Und Rockmusik, für viele Eltern in den 50er-Jahren «organisierter Lärm», stand in Jills Elternhaus gar nicht hoch im Kurs. «Bei uns hörte man nur volkstümliche Musik. Meine Mutter sagte immer: ‘Das Züügs versteht ihr ja ohnehin nicht.» Gemeint war damit vor allem die Musik von Elvis Presley (†1977), dem «King of Rock’n’Roll». Die Beatles und die Rolling Stones kamen bald auf. Zum Glück gab es auch Peter Kraus (84), den «Deutschen Elvis». «Den haben wir verstanden.» Einen Beatles-Überzug auf dem Fahrersitz entdeckt man auch in Jills Kleinwagen. Sie kam via Forchautobahn zum Treffpunkt und nervte sich über die Autofahrer, die zu langsam unterwegs waren. Eine Rock’n’Rollerin durch und durch, auch mit bald 80.

Ihre erste LP (für die jüngeren Leser: Das waren aus Vinyl gepresste Tonträger) war eine von Cliff Richard und seinen Shadows. Musiker, die sie auch beeinflussten, waren Jimmy Hendrix, John Lee Hooker. Und vor allem die Schlagzeuger Phil Collins, Mick Fleetwood, Ian Paice und Brian Bennett.

Stöcke sind auch im Urlaub dabei
1982, Jill war 35 Jahre alt und alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, erfüllte sie sich endlich ihren Musiktraum. In einer TV-Sendung wies Moderatorin Rosemarie Pfluger auf ein Konzert der deutschen Sängerin Ina Deter («Neue Männer braucht das Land» hin. Als Deter auf der Bühne im Zürcher Volkshaus schrie «Frauen steht auf und macht Musik!», war es um Jill geschehen. Im Verein «Frauen machen Musik» konnte sie jeden Sonntag mit anderen Frauen spielen. Dass sie gleich das Schlagzeug in Beschlag nahm, war nur logisch. Bald gründeten fünf Frauen um Jill die New-Wave-Band Toxic Shock. Von 1995 spielte Jill in verschiedenen Steelbands. Später in den Grossmutter-Rock-Bands Mammutz und Crème brûlée. 2016 wurde sie schweizweit bekannt, als sie mit Crème brûlée in die TV-Sendung «Aeschbacher» eingeladen wurde. Seit neun Jahren sitzt die mittlerweile 76-Jährige bei RBB (mit Gitarrist und Tausendsassa Orlando Capaul) am Schlagzeug. Jill sagt: «Solange ich ‹hocken› kann, werde ich auch Schlagzeug spielen.» Ihre Stöcke nimmt sie überall mit, auch in die Ferien. «Man weiss nie, wen man antrifft.» Für eine Jamsession ist die Rock-Oma immer zu haben. Mit RBB ist Jill am 6. April beim Harley-Davidson-Shop in Mönchaltorf zu sehen. Let’s rock!

Max Kern

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